Geschichte des Amateurfunks in der SBZ/DDR


2.(1-3) Amateurfunk und MfS

Beginn der Überwachung des DDR-Amateurfunks - Schweigefunker und Ungarn-Krise - CSSR 1968

2.1 Beginn der Überwachung des DDR-Amateurfunks

Geführt wurde die Abt. IV in den fünfziger Jahren von Erich Mielke, der damals noch Staatsekretär im MfS war. Im Oktober 1950 erließ Mielke eine erste Richtlinie zur Überwachung des damals noch illegalen Amateurfunks. Dies erfolgte zusammen mit einer Bestandsaufnahme der gegnerischen Spionage und der Abwehrarbeit des MfS. teurfunk wurde eine erste Dienstanweisung erlassen. Die gewünschte Eigenorganisierung der Funkamateure war Mielke suspekt und für ihn direkt mit „der Gefahr der Spionagetätigkeit“ verbunden. Wegen der illegalen Sendetätigkeit zahlreicher Amateure befahl Mielke eine erste konspirative Durchdringung der Funkamateure mit geheimen Mitarbeitern und Informanten, um ein möglichst genaues Bild über Anzahl, Umfang und Art der Kontakte im Äther zu bekommen.(16) Innerhalb weniger Wochen nach der Dienstanweisung meldeten Ende 1950 die einzelnen Abteilungen in den Ländern der DDR die in ihrem Bereich bekannten Funkamateure nach Berlin. Tatsächlich ist es zu dieser Zeit zur Spionagetätigkeit für den Westen gekommen, indem regelmäßig Informationen per Funk übermittelt wurden, beispielsweise über Anzahl und Stärke von staatlichen Organen der DDR, wie ein Fall aus Parchim belegt. Bis Ende des Jahres waren jedenfalls in fast allen Ländern Geheime Mitarbeiter (GM) des Ministeriums auf bekannte aktive und inaktive Funkamateure angesetzt.(17) Am 1. Februar 1951 erging in einer weiteren Dienstanweisung der Auftrag an die Länder, insbesondere die ehm. Funker des DASD zu erfassen. Zur Hilfe kam dem MfS hier die vormalige Registrierung der Funkamateure bei den Oberpostdirektionen während der NS-Zeit. Diese Adressen sollten kontrolliert und ggf. durch die neue Wohnanschrift ergänzt werden.(18) Mit der sich abzeichnenden Amateurfunkregelung in der DDR im August 1952, die zu diesem Zeitpunkt noch von der Kammer der Technik organisiert werden sollte, versuchte auch die MfS-Abt. IV die neue Lage dahingehend zu nutzen, die Funkamateure konspirativ stärker zu durchdringen. An allen wichtigen Schlüsselpositionen im Zulassungsverfahren zum Amateurfunk sollten eigene Mitarbeiter angeworben bzw. platziert werden. In Zusammenarbeit mit der Volkspolizei setzte die Abteilung IV sich zudem für eine „lückenlose Funküberwachung“ ein. Hierzu forderte man einen „Anpeildienst“, um nicht nur den Inhalt, sondern auch den Standort der Ausstrahlung erfahren zu können. Der Amateurfunk wurde sogar mit einem Agentenfunk verglichen, dessen „Entschlüsselung“ eigenes Personal erfordere.(19) Nach der Gründung der GST hatte die Abt. IV einen der Leipziger SED-Mitglieder und Vorstreiter für die Lizenzierung der DDR-Funkamateure als Gesellschaftlichen Mitarbeiter (GM) gewonnen und ihn im Januar 1953 intern von Leipzig nach Halle „weitergegeben“, wo dieser in der neuen Massenorganisation für den Amateurfunk zuständig war. Außerdem wollte die Abteilung IV direkt beim ZV in Halle noch einen weiteren Funkamateur anwerben, „möglichst ein [ehm.] Offizier der faschistischen Wehrmacht“. Gleiches galt, analog des früheren Operativplans, für das MPF und die Oberpostdirektionen. Den Funkverkehr wollte das MfS schließlich unter Zuhilfenahme der Funkamateure kontrollieren, denn eine ausreichende technische Ausstattung zur Überwachung war in den Bezirken immer noch nicht vorhanden. Der damals schon aktive GM im ZV der GST nannte sich „Buck“ und nutzte seinen Kontakt zum MfS insbesondere um für sich und einige Leipziger Funkamateure die lang ersehnte Lizenz zu bekommen, und zwar möglichst ohne lange Wartezeiten und Prüfung. „Buck“ bat seinen MfS-Kontaktmann der Abt. IV, ihm die für Zulassung notwendigen Führungszeugnisse schnell auszustellen. Dafür lieferte er im Gegenzug Berichte, die den damaligen Abteilungsleiter der GST in Berlin denunzierten. Dieser sollte laut „Buck“ einen Empfänger für private Zwecke eingefordert und immer noch schwarz sendende Amateure durch Angaben von falschen Adressen gedeckt haben, um genügend Zeit zu gewinnen, diese vor staatlichen Aktionen zu warnen. Außerdem behauptete er, der Berliner Funkkollege plane in einen Rundspruch an alle „unlis“-Stationen zu senden, um sie von der neuen Rechtslage in Kenntnis zu setzen, was „Buck“ zu diesem Zeitpunkt „sonderbar“ erschien. Bei einer Reise im Mai 1953 nach Berlin nahm „Buck“ die ersten Anträge für Amateurfunkzulassungen in eigener Sache gleich mit zum MPF, wo diese aber im Juni wegen Unvollständigkeit abgelehnt wurden. Dazu vermerkte „Buck“ in seinem Bericht an das MfS vom 13. Juni 1953:

„Es ist richtig, dass diese Bescheinigungen [Führungszeugnisse] fehlen, nach Absprache mit dem Gen. [geschwärzt] wollten wir so verfahren, [den] ersten Amateure[n] …, [die] zum größten Teil schon früher ihre Lizenzprüfung abgelegt haben, die Prüfung zu erlassen.“(20)

Da das MfS eine schnelle Kontrolle der Anträge aus Leipzig schon beim genannten Treffen Ende Februar in Aussicht stellte, waren es auch die Leipziger-Funkamateure, die als erstes im Juli 1953 die Amateurfunkgenehmigungen erhielten.(21)

2.2 Schweigefunker und Ungarn-Krise

Die mögliche Spionagetätigkeit durch Funkamateure war für das MfS weiterhin das größte Sicherheitsrisiko. Anfang 1956, die Abt. IV war inzwischen laut Aktenbeschriftung der HA II (Spionageabwehr) eingegliedert, ergab sich für das MfS ein akutes Bedrohungsszenario durch Funkgeräte auf dem Boden der DDR. Zwar war inzwischen Amateurfunkbetrieb legal möglich, trotzdem wurden zahlreiche Funkamateure verhaftet. Für das MfS war es bewiesen, dass diverse Funkgeräte eingeschmuggelt und auf dem Boden der DDR „vergraben“ wurden, sowie ein Teil der Funker als „Schweigefunker“ angeworben wurden, um zur Herstellung von Kommunikationsstrukturen im „Ernstfall“ zu dienen. Bis zur Aktivierung durch den Feind würden sie unauffällig und angepasst agieren.

„Die festgenommenen Agenten waren zum größten Teil ehemalige Funker der faschistischen Armee, Inhaber bzw. Angestellte von Radio-Reparaturwerkstätten, Radiogeschäften sowie Funkamateure oder Personen aus wesensverwandten Berufen.“(22)

Über die Funkamateure hinaus wurden deshalb zu den genannten Personenkreisen systematische Verzeichnisse eingerichtet, welche die Funkkenntnisse, den Charakter des früheren Militärdienstes, eventuelle Westverwandtschaften sowie weitergehende Verbindungen festhielten. Ziel war die „vollständige“ Durchdringung der Gruppen. Dies ging nur mit Mitarbeitern aus diesen Kreisen selbst.

„Aus dem Kreis der genannten Personen sind qualifizierte Agenten anzuwerben, welche unter den Funkern Autorität besitzen und über große Verbindungen verfügen.“(23)

Allerdings war das MfS, wie ein Zwischenbericht des stellvertretenden Ministers Bruno Beater im Juni 1956 festhielt, zu dieser Zeit gar nicht in der Lage die Dienstanweisung zur umfassenden Kontrolle der Funker umzusetzen. Weder war geeignetes Personal vorhanden, noch sahen die regionalen MfS-Stellen die Notwendigkeit der Maßnahme ein. Auch die bisher gewonnenen Informanten waren in der Mehrzahl nicht sehr gut mit Funkkenntnissen vertraut. Erste Abhilfe sollte ein interner Lehrgang schaffen, der dann auch „für den größten Teil der Genossen“ einen „vollkommen neuen Stoff“ brachte, wie festgestellt wurde. Zahlreiche MfS-interne Kompetenzstreitigkeiten taten ihr Übriges, die direkte Unterstellung des Sachgebiets Funk unter den Leiter der Abt. II wurde zudem ignoriert. Mitte der fünfziger Jahre ließ dies deshalb nur eine kleine und zufällige Erfassung der Gruppe zu.(24) Das Sachgebiet Funk reagierte auf den Zwischenbericht Beaters und entwickelte einen Perspektivplan, in dem die bisherige Methode zur Gewinnung von Informanten noch einmal präzisiert wurde. Auch die Bundesrepublik und West-Berlin wurden nun in die Überlegungen einbezogen. Das MfS wollte Funkamateure und ehemalige Wehrmachtsfunker als Mitarbeiter gewinnen, diese sollten „zuverlässige, überprüfte und geeignete GI und GM, die über gute Funkkenntnisse verfügen“ sein und als GHI aufgebaut werden. Gleichzeitig wurden nun sogar die eigenen MfS-Mitarbeiter angehalten, mit der Ausbildung zum Funkamateur zu beginnen.(25) Diese internen Schwierigkeiten des MfS fielen zeitlich mit der Ungarn-Krise 1956 zusammen.
Die Situation in Ungarn war für das MfS ein Schlüsselerlebnis und der erste größere Beweis für die Gefahr, die vom Amateurfunk dann ausgehen kann, wenn dieser sich nicht an die internationale Reglementierung hält, sondern als Kommunikationsmittel für Nachrichtenübertragungen genutzt wird. Dies allerdings ist eine Beurteilung im Nachhinein, denn die Rekonstruierung der folgenden Darstellung beruht auf Akten der siebziger Jahre. Die Ungarn-Krise gehörte bis zum Ende der sechziger Jahre gleichsam zum Kanon der Rechtfertigung der Überwachung, ohne etwas über eine Einmischung bzw. Beteilung durch DDR-Funkamateure 1956 auszusagen. Allerdings gab es 1956 auch erst einige wenige Funkamateure in der DDR. So wurden die Vorkommen in Ungarn 1956 zum Beweis für die staatliche Einmischung der „imperialistischen Staaten“ im Amateurfunk. Der Beweis war laut MfS durch die Entsendung eines Roten- Kreuz-Zuges aus der Bundesrepublik nach Budapest erbracht, in dem sich auch eine Funkstation befand, die mit einem Amateurfunkrufzeichen ausgestattet war. Mit dem Beginn der Niederschlagung des Aufstandes Anfang November 1956 wurde diese Station durch zahlreiche Funkamateure der Bundesrepublik im Äther gesucht. Die westdeutschen Funkamateure organisierten eine sog. Leitstelle, bei der alle Informationen zum Verbleib des Zuges zusammenflossen. An der Suche beteiligten sich immer mehr Funkamateure, die dabei auch den Kontakt zu ungarischen Hobbyfreunden aufbauten. Diese wiederum baten um Unterstützung des Auslandes beim Kampf gegen die einmarschierenden Sowjettruppen. Ab 6. November registrierten DDR-Behörden „ca. 300 BRD-Funkamateure“, die Ungarn im Äther auf den Amateurfunkbändern anriefen. Bei den tagelangen Funkkontakten wurden schließlich Nachrichten für die Presse und an den durch die USA finanzierten Sender Radio Free Europe weitergeleitet. Dies war ein klarer Bruch der internationalen Bestimmungen zum Amateurfunk.(26)
Auch nach der Ungarn-Krise war die Situation innerhalb der DDR weiterhin durch Spionageangst geprägt. Bezüglich der Schweige- und aktiven Spionagefunker hatte sich 1958 laut einer Dienstanweisung der MfS-Abteilung II/Funk im Bezirk Cottbus die Lage dahingehend verändert, dass die feindlichen Zentralen laut Informationen der dortigen Dienststellen zuerst Agenten ausbildeten, um sie anschließend im Bereich Funk der GST mitarbeiten zu lassen. Dort könnten sie dann ihre Fähigkeiten vertiefen, hätten eine optimale Deckung und könnten sogar neue Mitarbeiter werben. Als Gegenmaßnahme wurde allerdings nichts darüber hinaus angeordnet, als dies, was schon seit 1950 hätte erfolgen sollen: Eine systematische Katalogisierung aller Funkamateure.(27)
Bis Ende 1967 ergibt sich allgemein eine Lücke im bisher erschlossenen MfS-Material, so dass über die weitere Vorgehensweise des MfS in diesem Zeitraum nichts zu erfahren ist. Viel schien sich aber bis 1967 nicht geändert zu haben. Der Amateurfunk beschäftigte weiterhin mehrere MfS-Abteilungen, die diesen aufgeteilt nach innerstaatlichen Problemen oder internationalen Belangen beobachteten. Ende 1967 wurde der Amateurfunk unter die Kontrolle der HA XX gestellt, welche das Post-, Fernmelde- und Funkwesen beobachtete. Neben Rügen-Radio (Überseefunk), dem Kurzwellensender Nauen, den Funkämtern in Burg und Beelitz, sowie dem gesamten Funkkontroll- und Messdienst (Radiocon), sah diese Abteilung ebenfalls die Funkamateure als operativen Schwerpunkt, um diese vor den direkten Angriffen des Feindes durch konspirative Absicherung ihrer Basen (insbesondere Betrieben mit Funkstation) zu schützen. Unter den Reisekadern wollte das MfS zudem Funkamateure zur Mitarbeit gewinnen, die bei nationalen und internationalen Treffen „funktechnische Aufklärungsarbeit leisten können.“(28)

2.3 CSSR 1968

Die zweite Bestätigung für den möglichen Mißbrauch des Amateurfunks durch den Feind bekam das MfS 1968 durch die Ereignisse in der CSSR. Waren 1956 während der Ungarn-Krise erst wenige DDR-Amateure lizenziert, so kam zwölf Jahre später offen die Angst der DDR Staatsmacht vor dem Amateurfunk im eigenen Lande zum Vorschein und prägte fortan den MfS-Umgang mit diesem. Im Zuge der sog. Aktion „Genesung“, wie die eigenen Aktivitäten zum Aufstand in der CSSR im MfS-Jargon hießen, wurde nach dem sowjetischen Einmarsch Ende August 1968 von Mielke angeordnet, neben „feindlichen Handlungen von Bürgern der CSSR und allen anderen Verhaltensweisen“ gegen das sozialistische Lager, konkrete Unterschlupfpläne von aufständischen Bürgern der CSSR in der DDR aufzuklären, „sämtliche Hinweise und Angaben über feindliche Radio-, Funksende- und Empfangsstationen im Amateurfunknetz“ zu erfassen und zentral zu speichern.(29) Der Umgang mit dem Amateurfunk war in der Folge der Ereignisse wenig souverän, denn die DDR-Staatsmacht zog eine Art Notbremse und griff zum offenen Verbotsmittel. Über das MPF wurde ein vollständiges Sende- und sogar Empfangsverbot erlassen. Ein einheitlicher Maßnahmenplan existierte nicht, was wiederum auf eine Art Ahnungslosigkeit im Vorfeld schließen lässt. Vielmehr kamen im Zusammenspiel der Bezirksorganisationen der Post und der GST unterschiedliche Umsetzungen vor Ort zum Vorschein. Die Klubstationen standen unter alleiniger Kontrolle der GST. In einigen Regionen wurden diese nun komplett versiegelt, in anderen dagegen nur ein Zettel mit der Bemerkung angeheftet, dass der Funkbetrieb eingestellt sei. Bei einigen Einzelstationen musste lediglich die Endstufenröhre entfernt werden, obwohl mit kleiner Leistung auch über dabei nicht beachtete Treiberstufen gesendet werden konnte, so z.B. im Erzgebirge, also in unmittelbarer Nähe zur CSSR. Teilweise sollten kurzerhand alle Sendeanlagen abtransportiert werden, was dann an Amateuren vor Ort scheiterte, die nämlich auf die fehlenden rechtlichen Grundlagen hinwiesen. Der legale Rahmen sollte aber bei der Aktion keineswegs verlassen werden. Über all die Umsetzungsmaßnahmen wollte aber letztendlich das MfS entscheiden, auch wenn es selbst in diesem Zusammenhang offiziell nicht vor Ort auftauchte bzw. Mitarbeiter sich in Dienstkleidung der Post tarnten, was z.B. ein Funkamateur als „Besuchter“ im Nachhinein durch eine offizielle Beschwerde bei der Post erfuhr, wo nämlich nichts von einem Einsatz der eigenen Leute bei ihm in der Wohnung bekannt war.(30)
Mit dem eigenen Funkverbot konnten die Übertretungen der internationalen Amateurfunkordnung durch den Klassenfeind umso stärker herausgestellt werden, wobei die GST öffentlich gegenüber den eigenen Amateuren anders argumentierte als intern. Gegenüber den eigenen Amateuren wich die GST der Frage über die Rolle der CSSR-Funkamateure während des Aufstandes 1968 aus. GST und MfS arbeiteten hierzu Hand in Hand. Die offiziellen Erklärungen zum Amateurfunkgeschehen in der CSSR entsprachen nahezu idealtypisch der erzieherischen Funktion einer Massenorganisation in der DDR. „Aufklärung“ über die Zusammenhänge bekam der DDR-Funkamateur u. a. in der GST-Zeitschrift Funkamateur. Neben der offiziellen Leitlinie der in der CSSR verhinderten „Konterrevolution“ seien es demnach „illegale Piratensender“ gewesen, die „zum Teil“ auf den Amateurfunkbändern gesendet hätten. Von Funkamateuren der CSSR war nun keine Rede mehr. Selbst das Herkunftsland der illegalen Ausstrahlungen wurde nicht genannt, jedoch dafür explizit westdeutsche Funkamateure mit vollständiger Hausanschrift, welche die aus der CSSR empfangenen Botschaften an Rundfunksender weitergeleitet und so „dem internationalen Amateurfunk Tiefschläge“ versetzt hätten.(31) Die GST beschwerte sich darüber sogar offiziell bei der IARU, welche es aber bei einem einfachen Rundbrief beließ und den Vorgang ohne weiteren Kommentar zu den Akten legte.(32) In den Akten des MfS hingegen wird von „im Auftrage des Feindes handelnden Amateurfunkern der CSSR“ gesprochen. Mit Namen wie „Sender Prag“ oder „Sender Pilsen“ übermittelten diese ständig „Spionageinformationen“ an den Gegner, u. a. auch wiederum an Radio Free Europe. Bestätigt fühlten sich die ostdeutschen Geheimdienstler, als sie einen Funkspruch von Wolfram Felix Körner unter seinem Rufzeichen DL1CU auffingen, dem Autor der „Geschichte des Amateurfunks in Deutschland“. Körner wurde nun, nachdem seine Buch zur Amateurfunkgeschichte in Deutschland schon ins Visier geraten war, durch die Funksprüche in die CSSR 1968, in denen er die CSSR-Funkamateure zur Flucht aufforderte und eine Arbeit und Wohnung in der Bundesrepublik versprach, zu einer Art Lieblingsfeind des MfS, zum Begründungspunkt für die „hohe Gesellschaftsgefährlichkeit“ des westdeutschen Amateurfunks und das daraus abgeleitete „Schutzbedürfnis“ der DDR auf diesem Gebiet.(33) Insbesondere an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam gehörten die CSSR-Ereignisse seitdem zum Grundstock in der Argumentation zahlreicher Amateurfunkstudien. Der Beweis des möglichen Missbrauchs war für das MfS nun endgültig erbracht, wenn auch an einer einzelnen Person der Bundesrepublik festgemacht. Aus heutiger Sicht leistete Körner dem Amateurfunk einen Bärendienst. Die Intention des Gegners schien bewiesen, die eigene Arbeit und die Forderung nach Ausbau der eigenen Strukturen konnten auch auf diesem Spezialgebiet des funkelektronischen Kampfes durch die MfS-Abteilung besser forciert werden. Die Reaktionen der beteiligten Stellen und Organisationen der Bundesrepublik für den Amateurfunk waren übrigens im Zusammenhang des CSSR-Aufstandes naturgemäß milder. Es wurde zwar die missbräuchliche Verwendung einer Amateurfunkstation als „Nachrichtenbüro“ für Verlage und Zeitungen durch die Bundespost und in Verbandsschreiben des DARC kritisiert, gleichzeitig aber auf eine Art Gewissenskonflikt hingewiesen, die den Funkamateur vor eine schwierige Entscheidung gestellt hätte. Der DARC war besorgt, die ostdeutschen Funkamateure könnten dadurch nicht mehr in den Äther zurückkehren.(34) Diese Sorge schien angesichts der Funkstille in der DDR durchaus berechtigt, aber das Funkverbot wurde in der DDR im Dezember 1968 wieder aufgehoben.
Die GST wies ihre Klubstationsleiter an, eine Belehrung zur Thema- tik durchzuführen, welche die offizielle „Aufklärung“ über die Hintergründe ihren Mitgliedern vermitteln sollte. So forderte der örtliche Instrukteur für Nachrichtensport der Stadt Dresden alle Klubstationsleiter zu einer Belehrung der Mitbenutzer auf, wobei er die Auslegung gleich mitlieferte:

„Bezugnehmend auf das Schreiben vom 15.10.1968 wird mitgeteilt, dass der Amateurfunk in der CSSR wieder legalisiert ist. Wir alle haben die Maßnahmen, die von den sozialistischen Staaten zum Schutze der CSSR eingeleitet wurden, begrüßt. Durch diese Aktion wurden dem westdeutschen Imperialismus und den Vertretern der Globalstrategie die Grenzen ihrer Macht gezeigt. Die sozialistischen Bruderländer haben die sozialistischen Errungenschaften in der CSSR und den Frieden in Europa gesichert. Die Handlungsweise westdeutscher Amateurstationen während der Zügelung der Konterrevolution in der CSSR betrachten wir als Nichtachtung der Abmachungen des Weltnachrichtenvertrages und distanzieren uns von diesen Amateuren… Jeder Amateur muss bei der Abwicklung seiner Funkverbindungen einen klaren Klassenstandpunkt im Sinne des sozialistischen Internationalismus vertreten. Aus diesen Darlegungen ergibt sich für alle Leiter der Klubstationen die Schlussfolgerung, mit ihren Mitbenutzern eine Belehrung über diese Probleme durchzuführen.“(35)

Zeitzeugen bestätigen die im Zusammenhang mit den Ereignissen in der CSSR stark einsetzende Werbung von Informellen Mitarbeitern durch das MfS unter den Funkamateuren. Die Ereignisse der CSSR waren der Auslöser des sich nun ausdehnenden Überwachungsapparats auf diesem Sektor.


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