Das Funkhaus Wien

Das Funkhaus WienzoomDie Architekten
Heinrich Schmid (*24. Juni 1885 , †2. Mai 1949) in Wien) studierte an der Technischen Hochschule Wien und an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Hermann Aichinger (*14.5.1885, †26.6.1962) studierteder Akademie der bildenden Künste.
Beide waren Schüler Otto Wagners und eröffneten 1910 ein gemeinsaames Architekturatelier, in dem sie jahrzehntelang tätig waren. Das Büro Schmid-Aichinger errang bald eine führende Stellung im kommunalen Wohnbau des "roten Wien" und entwickelten eine zurückhaltend ornamentale und monumentale zugleich funktionale Formensprache, oft nach außen hin wehrhaft, in den Höfen demokratisch-begegnungsoffen. Zu den wichtigsten Bauten dieser Art zählen unter anderem der Fuchsenfeldhof, der Herweghhof, der Matteottihof, der Julius-Popp-Hof, der Rabenhofund der Reismann-Hof,
Clemens Holzmeister (*27. März 1886, †12. Juni 1983) studierte an der Technischen Hochschule in Wien. Durchbruch als Architekt mit dem Krematorium, 1924-1938 Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Monumental- und Sakralbauwerke. Prominenter Vertreter der im Austrofaschismus bevorzugten Architektursprache reduzierter Expressivität. 1938 Emigration in die Türkei. Aufträge auch in Brasilien. 1954 Rückkehr nach Wien. Rektor an der Akademie der Bildenden Künste.






zoomAuf der Suche nach dem Standort des neuen Funkhauses
Immer wieder drängt OskarCzeija beim Verwaltungsrat und im Exekutivkomitee auf ein neues Domizil, das den rapide wachsenden Ansprüchen zukunftssicher gerecht wird. Der Bund und die Stadt Wien – sie halten miteinander 82% der Anteile, haben demnach ein entscheidendes Wort mitzureden – schlagen ab 1930 mehrere Objekte vor. Schließlich erhält im August 1931 das Büro Schmid-Aichinger von der Direktion der RAVAG den Auftrag, die in engere Wahl kommenden Gebäude zu evaluieren. Die beiden Architekten hatten mit dem Wiener Verkehrsbüro in exponierter Lage auf sich aufmerksam gemacht und sind mittlerweile fixe Größen im kommunalen Wohnbau. In den folgenden vier Jahren legen sie Machbarkeitsskizzen für sieben Objekte vor: für die Palais Castiglioni (Abb.01) und Erzherzog Rainer im vierten Bezirk, die Creditanstalt, die Bodenkreditanstalt (Abb.02) und das Künstlerhaus in der Inneren Stadt (Abb.03), für den Umbau der Kassenfabrik Wertheim auf der Wieden (Abb.04) und für die sogenannten Grödl-Gründe auf der Landstraße. Für diese entwickeln sie sogar zwei baureife Entwürfe, doch gerät das Projekt ins Stocken und wird schließlich aufgegeben, weil man den Bau der Sendeanlage Bisamberg vorzieht. Zwischendurch war auch das Ronacher (Abb.05) zum Verkauf ausgeschrieben worden. Für alle Objekte wäre aber entweder die Adaptierung der Gebäude zu teuer gekommen oder die Lage der Baugründe war unvorteilhaft.
So fällt die Wahl zuletzt auf den Ankauf eines schmalen Seitenstreifens der Parkanlage der Theresianischen Akademie in der Favoritenstraße im vierten Bezirk und des diesem benachbarten Haus Argentinierstraße 30, dessen Innenhof sich ebenfalls bis fast zur Favoritenstraße hinzieht, in ruhiger Lage, dennoch nahe der Innenstadt und – vor allem – gleich neben dem Post- und Telegraphenamt Taubstummengasse, das einen idealen Anschluss der Kabelleitungen ermöglicht. Auf (Abb. 06) ist der Bau des Großen Syendesaals zu sehen, (Fotos: Archiv DokuFunk)






Finanzierung und politische Entwicklung
Prof. Ing. Ernst Felix Petritsch von der Technischen Hochschule, der von Bundesminister für Handel und Verkehr Dr. Friedrich Stockinger mit der Überprüfung dieser Option beauftragt wird, erklärt am 1. März 1935 die Pläne für baureif und schätzt die Gesamtkosten ohne Baugrund auf 6,6 Millionen, mit Baugrund auf 7,5 Millionen Schilling. Das ist eine gewaltige finanzielle Herausforderung. Die RAVAG kann aus dem Eigenkapital knapp eine Million beitragen, ohne die wichtigsten anderen Investitionen zu gefährden. Eine Gebührenerhöhung ist ausgeschlossen, optimistisch nimmt man die Zunahme von Abonnenten an. Fünf Millionen werden mit 7% aufgenommen - auf Wunsch der Regierung beim Kreditinstitut für öffentliche Unternehmungen und Arbeiten. Freilich wird die Zahlung ratenweise mit dem Baufortschritt fällig, zuletzt 1940. Bei dieser Sitzung des Exekutivkomitees der RAVAG am 3. März 1935 erklärt Staatssekretär Dr. Perntner, dass es ein ausdrücklicher Wunsch des Bundeskanzler sei, den Funkhausbau noch in das diesjährige Arbeitsbeschaffungsprogramm einzubeziehen.
Die Zeit drängt tatsächlich mehr denn je. Die politische Landschaft in Österreich hat sich in diesen Jahren grundlegend gewandelt. Nach der Selbstausschaltung des Parlaments im März 1933 und den Februarkämpfen 1934 ist der austrofaschistische Ständestaat ausgerufen worden. Alle Parteien und ihre Wehrverbände sind aufgelöst. Die „Vaterländische Front“ soll unter dem Kruckenkreuz alle Österreicher vereinen. Der Terror der illegalen Nazi gipfelt im Juliputsch 1934 bei dem Bundeskanzler Schuschnigg ermordet wird und ein zweiter Kampftrupp das Funkhaus besetzt. 25. Juli 1934: Der NS-Putschversuch Es gibt Tote und Verletzte. In Deutschland hat Goebbels nach der Machtergreifung vor zwei Jahren das Radio als massives Propagandamittel ausgebaut, und die Reichssender München und Stuttgart senden Tag für Tag subversive Parolen nach Österreich. Da soll das Funkhaus in Wien ein Bollwerk des österreichischen Patriotismus werden und dem „Haus des Rundfunks“ in Berlin in keiner Weise nachstehen.
Allerdings gefährdet die politische Entwicklung auch den Baubeginn. Schmid/Aichinger haben sich im „roten Wien“ mit großen kommunalen Wohnhausanlagen (Fuchsenfeldhof, Rabenhof, Popphof u.a.) in die erste Reihe vorgearbeitet – jetzt sind sie politisch inopportun. Und müsste ein Bau in dieser Größenordnung nicht ohnedies öffentlich neu ausgeschrieben werden? Von einer solchen Konkurrenz wären die beiden – die einzigen kenntnisreichen Spezialisten - jedoch ihrer Vorarbeiten wegen ausgeschlossen. Zudem hat das Architektenbüro stets auf Honorarbasis geliefert. Die RAVAG sieht das Honorar für die Theresianum-Variante als Vorleistung innerhalb des Gesamtbudgets an, Schmid/Aichinger kontern, dass sie für den Fall der Nichtverwirklichung ein Mehrfaches an Zahlungsforderungen einbringen würden.
In dieser heiklen Situation tritt der eiligst einberufene zweite Gutachter als vermittelnder Schiedsrichter auf den Plan: Prof. Dr. Clemens Holzmeister – von ihm stammt u.a. das Krematorium in Wien – ist Stararchitekt des neuen Regimes, bildet also quasi ein Gegengewicht zu den „rot-verdächtigen“ Kontrahenten, und überdies ist er seit 1932 Präsident der Zentralvereinigung der Architekten. Am 25. Februar 1935 schlägt er, nach internen Verhandlungen, „eine praktische Möglichkeit“ vor, „den von der Regierung und der Architektenschaft gewünschten Wettbewerb durchzuführen, gleichzeitig aber die Vorbereitung zum Bau ohne jeden Zeitverlust fortzusetzen“: Nach einem beschränkten Wettbewerb sollen fünf Architekten am Innenausbau des Funkhauses beteiligt werden.
Dem Baubeginn steht nun endlich nichts mehr im Wege.



zoomClemens Holzmeisters Anteil am Funkhaus Wien
Das verständliche Bemühen, im Ständestaat die Rolle des christlich-konservativen und international prominenten Architekten Clemens Holzmeister zu protegieren, um damit dem „rot angehauchten“ Architektenduo Schmid/Aichinger einen nachgeordneten Rang einzuräumen, hat wesentlich zur Legendenbildung beigetragen, Holzmeister sei der eigentliche Schöpfer des Wiener Funkhauses – eine Aussage, die sich bis in die Gegenwart verfestigt hat.
Tatsache ist, dass Holzmeister in dem oben erwähnten Schreiben vom 25. Februar 1935 an die Generaldirektion der RAVAG gemeinsam mit Prof. Ing. Petrisch feststellt, „der in eineinhalbjähriger Arbeit entstandene Entwurf (sei) sowohl in städtebaulicher Hinsicht als auch in der Grundrissdisposition und im Kostenaufwand im wesentlichen durchaus entsprechend und rationell. Speziell seien die räumlichen und organisatorischen Bedürfnisse der RAVAG befriedigend gelöst.“



zoomDas Gebäude - Außenansicht
Bild 1: Der Blick von oben zeigt den schwierigen Grundriss: Vom Gelände des Theresianums wurde eine lange schmale Scheibe abgeschnitten (rot). Um dem Gebäude eine Front zu geben, ist die Fluchtlinie straßenseitig zurückgenommen und ein Quertrakt angefügt (blau), der den Grundriss zu einem T erweitert, das bis in den Altbau Argentinierstraße 30 ragt (grün). Der Übergang ist architektonisch unglücklich gelöst - bestimmt wollte man den Alttrakt später einmal in die Gesamtansicht integrieren. Der kluge Lösungsansatz bestand datin, im unbebauten Hof, der sich fast bis zur Favoritenstraße erstreckt, drei seitliche große Objekte an die Längsachse zu binden: Den Großen Sendesaal (gelb), den Hörspieltrakt (grau - im Krieg zerstört, heute der "Peichel-Bau" des Landesstudios Wien/Fernsehen) und den Musiktrakt (lila).
Bild 2: Die Vogelschau zeigt die rückgenommene Querfront des Hauses mit der Bezeichnung Argentinierstraße 30A. Der Altbau, Argentiniierstraße 30, ragt bis an die Fluchtlinie vor. In der Frontmitte der charakteristische Haupteingang.
Bild 3 und oben links: Der beengte Raum gestattete keinen Ehrenhof. Um doch einen markanten, fast pompösen Eingang zu gestatlten, wurden ein Keller- und ein Zwischengeschoß errichtet (im Bild links). Das Erdgeschoß ist somit über Straßenniveau angelegt und über eine nach innen eingezogene Treppe erreichbar.
Bild 4: Frappant ist die Ähnlichkeit dieser Lösung mit jener im Haus des Rundfunks in der Masurenallee in Berlin (Hans Peolzig, 1929-31).
Bild 5: Die Rückansicht zeigt, wie eng das Objekt links an die Häuser der Taubstummengasse grenzt. Der große Vorteil: Das Gebäude in der Mitte ist das ehemalige Post- und Telegraphenamt. Der Anschluss an die Postleitungen erfolgte daher auf kürzestem Weg.
Fotos: Vorsatz, 1-3, 5: Archiv;4: Wikimedia, Uwe Thobae secure linkext. Link




Foyer und Treppenhaus
Die angestrebte Wirkung - analog zu den frühen Rundfunkbauten in Deutschland - ist: Sie betreten hier den Tempel des Radios! Edles Material, die Wandverkleidungen sind aus rosa Marmor, kombiniert mit zeitgemäßen Materialien, den kanellierten "Tempelsäulen" und den Elementen der Treppengeländer aus Aluminium - mit Handläufen aus poliertem Ebenholz. Nach den beiden Eingängen, sie sind zugleich Windfang und "sakrales" Portal, teilen sich die Bereiche. Hier war ursprünglich der wuchtige Empfangstresen - heute beeinträchtigt ein postmoderner Ellipsenschalter den freien Blick auf die großzügige Halle, zu der einige weitere Stufen hinaufführen - welch eine Inszenierung. Links die freitragende Treppe vor der vorgehängten Glasfassade, die sowohl die Halle als auch das gesamte Treppenhaus lichtdurchflutet. Hinten links die ehemalge Garderobe, heute durch eine gläserne Trennwand zu einem Besprechungszimmer umgebaut (Abb. 01). Zu beiden Seiten des Eingangsbereichs führen Treppen ins Zwischengeschoß und von dort in das Kellergeschoß. Die Front zur Argentinierstraße ist mit durchschimmernden Steinplatten abgedämmt. Gut zu sehen auf (Abb. 02) ist auch die Kassettendecke mit ihren abwechselnd quadratischen und kreisförmigen Elelmenten. Zweiläufig gegenläufige Treppen mit Zwischenpodest führen entlang der Glasfront in die Obergeschoße (Abb. 03 und 04). - Fotos: Archiv





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