Amateurfunk-Geschichte Deutschland, Folgen 39-41


1969: Vorstand kontra Basis

Auf dem Weg zur Zentralverwaltung

1969: Vorstand kontra BasiszoomIn der Tat ist der DARC mittlerweile der größte Amateurfunkverband in Europa. Den Erfolg rasant steigender Mitgliedschaft verdankt er vor allem der neuen C-Lizenz, also den Sendegenehmigungen für UKW ohne Nachweis der Morsekenntnisse, aber auch konsequenter Jugend- und Ausbildungsarbeit: 1969 gibt es acht, 1970 sechs Lehrgänge; in den ersten sechs Jahren seit Beginn der Aktionen wurden fast 1.000 Lizenzanwärter erfasst.
Der Erfolg hat freilich auch seinen Preis, „da es immer schwerer wird, Kandidaten zu finden, die unabhängig genug und bereit sind, die Belastung einer ehrenamtlichen Verbandsarbeit auf sich zu nehmen.“ [2] Was Herbert Picolin zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt, ist, dass die Kombination aus ungebremstem Wachstum und personellen Engpässen den seit langem schwelenden Konflikt um Aufgaben und Zukunft des Verbandes nun offen ausbrechen lässt.
Dass es an der Basis brodelt, beweisen scheinbare Details wie die heftige Auseinandersetzung über ein Titelfoto der Klubzeitschrift, das zur Faschingszeit zwei funkbastelnde Affen zeigt, oder die hämischen Kommentare über die vermeintliche „Vereinsmeierei“, als bekannt wird, dass die Verbandssatzung überarbeitet werden soll. Über Monate hinweg zieht sich eine Kette von Polemiken, Klarstellungen und Gegendarstellungen über das korrekte „Messprinzip für die Messung der Leistung eines modulierten Senders“.[2] Heftiger als je zuvor ist die Auseinandersetzung zwischen den traditionellen Gerätebauern und den „Steckdosen-Amateuren“, zwischen den „QSO-Puristen“ und den „Contest-Rabauken“. Zum letzten Mal treten die DASD-Veteranen, die ihr Amateurfunk-Weltbild erschüttert sehen, zum ideellen Positionskampf gegen die von aller Tradition unbelasteten „Jungen“ aller Altersgruppen an, die das Hobby locker aus der Perspektive des Wirtschaftswunderlands sehen – ganz im Zeitgeist der 68er-Bewegung, die „unter den Talaren den Muff von tausend Jahren“ anprangert. „Die Jugend ist sehr schnell fertig mit dem Wort. Sie ist mit einer Kritik bei der Hand, die häufig unsachlich ist, in der das Positive und Aufbauende vermisst wird. Es gibt immer Unstimmigkeiten, wenn die Älteren unter uns selbstgefällig auf ihrer Meinung sitzen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit unerbittlich auf ihre Erfahrung pochen.“[3]
Der offizielle DARC zeigt sich von alledem nach außen hin unbeeindruckt. Das Kluborgan eröffnet jedes Heft – wie seit Jahren – mit ausführlichen Beschreibungen zum Gerätebau; es folgen, wie abgesteckte Clans, die stets gleichen Rubriken der Referate. Wer die Veränderungen ablesen will, muss die Inseratenbeilage der Hefte und die Einschaltungen in der Ham-Börse studieren oder das klein Gedruckte lesen: „Wahrscheinlich besteht durch die Fertiggeräte, durch den Kauf von der Stange, der Kontakt zur Technik nicht mehr so stark wie in früheren Jahren.“ [4] Doch auf das Murren von unten reagiert man weiterhin mit Appellen im Leitartikel: „Negative Kritik bedarf keines großen Geistes. … Positive Kritik allein kann unsere Klubarbeit im fortschrittlichen Sinne beeinflussen.“[5]
Gleichzeitig ziehen einige Funktionäre die Konsequenz: „In letzter Zeit haben mehrere Mitglieder der Clubversammlung spontan ihre Ämter niedergelegt, und die OMs vom bewährten Geschäftsführenden Vorstand gaben bekannt, dass sie bei der nächsten Wahl nicht wieder kandidieren wollen. Nachschub ist nicht vorhanden.“[6]

Auf dem Weg zur Zentralverwaltung

Am 31. Mai und 1. Juni 1969 tagt in Heilbronn die Hauptversammlung (Clubversammlung), also die gemeinsame Beratung von Vorstand und Amateurrat.
Rudolf „Rudi“ Rapcke, DL1WA, sitzt seit 1961 als Ehrenpräsident auf dem Altenteil. Er begeht am 18. November 1969 seinen 75. Geburtstag. Sein Nachfolge, Karl Schultheiß, DL1QK, hat zwanzig Jahre lang in verschiedensten Funktionen dem DARC gewirkt. Jetzt ist er sechzig und mag nicht mehr. Da aber kein Nachfolger in Sicht ist, bleibt er noch im Amt – zunächst bis zum Herbst, und weil das Problem auch dann nicht gelöst ist, dient er die ganze Funktionsperiode ab. Immerhin haben sich Kandidaten für die Ablöse des Geschäftsführenden Vorstands gefunden. Gewählt werden als 1. Vorsitzender Jürgen Netzer, DL3YH, als 2. Vorsitzender Ulf A. Kluge, DJ1BQ, und als Beisitzer Ulrich Gradmann, DL9PL.[7] Bei der Herbstsitzung, am 18. und 19. Oktober 1969 in Blieskastel an der Saar, kann endlich auch der Erweiterte Vorstand voll besetzt werden.
Der neue Vorstand macht ohne Zögern Nägel mit Köpfen und beschließt die Schaffung einer DARC-Hauptverwaltung, um einem mittlerweile unhaltbaren Zustand ein Ende zu setzen: „In Kiel arbeiten in einem kleinen Souterrainbüro die Angestellten der Geschäftsstelle, in München trägt der Club erhebliche Mietlasten für seine QSL-Vermittlung, wiederum woanders wirkt die Redaktion des Deutschland-Rundspruchs“[8], die Redaktion der in Stuttgart gedruckten Zeitschrift sitzt in Hamburg und München, für das Lokal der QSL-Vermittlung liegt eine Kündigung vor. Aus einem Katalog von neun Grundstücken im Bundesgebiet entscheidet sich die Clubversammlung im Oktober 1969 für ein Gelände in Baunatal bei Kassel, einer aufstrebenden Stadt mit 10.000 Einwohnern. Herbert Picolin, DL3NE, wird als „Sonderbeauftragter“ die Gesamtleitung des Projekts übertragen.[9] „Unser Grundstück ist 5.000qm groß und liegt mit 75m Straßenfront an der ausgebauten Lindenallee im Stadtteil Altenbauna. … 100m (Schutzstreifen) hinter unserem Grundstück führt die hier bereits fertiggestellte Bundesautobahn Ruhrgebiet-Kassel vorbei. … Die Aufgeschlossenheit des Magistrats der Stadt Baunatal … ist es zu verdanken, dass wir dieses Gelände zu einem Preis von 9DM/qm erwerben können. … Die kommenden Monate werden unter dem Zeichen der Finanzierung und der Bauplanung stehen.“[10]



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