Amateurfunk-Geschichte Deutschland - Folgen 48-50


(48) 1977/78: Neue Herausforderungen, alte Gefahren

„120.000 Funkamateure in Europa, 750.000 in der ganzen Welt, das ist eine stolze Entwicklung in den fünfzig Jahren, seit ein Weltfunkvertrag von Washington den wenigen Tausend Amateuren des Jahres 1927 schmale Reservate im Bereich unter 200m Wellenlänge zuwies. ... Den heute 152 Mitgliedsländern der ITU stehen aber nur 90 Mitgliedsverbände der IARU gegenüber (davon einige in Ländern, die gar keine Stimme in der ITU haben). ... Wenn man von den Säulen (ja Säulen-‚Wäldern’) des Amateurfunks in Japan und den USA absieht, so lässt die Verteilung in der Region 2 – den beiden Amerikas – auf einen guten staatlichen Rückhalt und Verteidigung der Rechte des Amateurfunksdienstes schließen. Schlecht sieht es in den Entwicklungsländern der Region 3 und im afrikanischen Raum aus, mit dem das sonst wohlproportionierte Europa zur Region 1 zusammengekoppelt ist.“ So resümiert Alfred Müller, DL1FL, der Auslandsreferent des DARC, die Situation des Amateurfunks zu Jahresbeginn.[1]

mehr >>


Fußnoten und PDF zu Folge 48

mehr >>


(49) 1979: Alles neu macht die WARC

(49) 1979: Alles neu macht die WARCzoomKurzer historischer Abriss

Die erste Funkverwaltungskonferenz fand am 3. November 1911 in Berlin statt, zu einer Zeit also, in der die drahtgebundene Telegrafie erst allmählich ihre Monopolstellung einbüßte. Auch die zweite, unmittelbar nach dem Untergang der Titanic im April 1912 und die Internationale Konferenz zum Schutz des menschlichen Lebens auf See, 1913 ebenfalls in London, waren maritim dominiert. Immerhin gab es damals weltweit bereits 327 Küstenfunkstellen und 2.752 mit Funk ausgerüstete Schiffe. Man erkannte die Grenzen und Mängel in den damaligen Bestimmungen der Schiffssicherheit und die Notwendigkeit, zwingend einzuhaltende internationale Regelungen zu schaffen. Im ersten Internationalen Schiffsicherheitsvertrag wurde u.a. bestimmt, dass alle Fahrgastschiffe und alle Schiffe über 1.600BRT mit Funkanlagen auszurüsten seien, einen geprüften Funkoffizier an Bord haben und Hörwache auf der Not- und Anruffrequenz 500kHz gehen müssen. (Und Marconis Monopol wurde bei dieser Gelegenheit ebenfalls gebrochen.)
Nach der gewaltsamen Zäsur des ersten Weltkriegs folgten in den frühen zwanziger Jahren die stürmische Entwicklung des kommerziellen Funks und, vor allem, des neuen Mediums „Broadcasting“. Die Organisation und Administration der Konferenzen und aller in deren Nachfolge zu treffenden Maßnahmen, wurde der Internationalen Fernmeldeunion übertragen. Die ITU (International Telecommunication Union – Union internationale des télécommunications, UIT) mit Sitz in Genf, heute eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, geht zurück auf den am 17. Mai 1865 gegründeten Internationalen Telegraphenverein.
Der erste Genfer Wellenplan trat am 14. November 1926 in Kraft. er sah für 99 Kanäle im Mittelwellenbereich von 500-1.500kHz nach dem Vorbild der USA ein Frequenzraster von 10kHz vor.
Bei der ersten internationalen Rundfunkkonferenz 1927 in Washington, D.C. wurden ebenfalls vorwiegend Regelungen aus den USA weltweit übernommen. (Nach einer Zwischenregelung wurde durch eine in Prag getroffene Vereinbarung im Juni 1929 das Frequenzraster von 500-1.300kHz auf 9kHz festgesetzt, darüber auf 10kHz.) Da in Europa im Gegensatz zu den USA viele Rundfunkstationen im Langwellenbereich zu senden begannen, wurde hier ein zusätzliches Rundfunkband vereinbart, welches von zunächst 150 bis 224 kHz reichte, mit Kanalabständen zwischen 7 und 10kHz. Überdies wurden in Washington erstmals auf Kurzwelle sechs Rundfunkbänder bestimmt.
Auch der Begriff Funkverwaltungskonferenz erhielt nun seine im Grunde bis heute gültige Bedeutung: Nicht Regierungen entsenden Bevollmächtigte, sondern Abgesandte der nationalen Fernmeldeverwaltzungen verhandeln und beschließen die Regelungen. Ihre Verträge haben aber völkerrechtlich verbindende Wirkungskraft. Im Fernmeldewesen bezeichnet man diese Abkommen, die die Durchführung der einzelnen Aufgaben regeln, als Vollzugsordnungen. Sie werden von den gesetzgebenden Körperschaften der einzelnen Länder ratifiziert und somit ins eigene Gesetzeswesen eingebunden. Die drei grundlegenden Vollzugsordnungen waren jene für den Fernsprech-, für den Telegrafen- und für den Funkdienst. Die VO Funk war und ist somit auch für den Amateurfunk von außerordentlicher Bedeutung.
Die wichtigsten Funkverwaltungskonferenzen vor 1979 hatten 1938 in Kairo, 1947 in Atlantic City[1] und 1959 in Genf stattgefunden Längst war die Telekommunikation zu einem politischen wie wirtschaftlichen Machtfaktor ersten Ranges geworden. Die rasante technologische Entwicklung und die tiefgreifenden geopolitischen Veränderungen nach 1945 hatten ein Konglomerat von Gegnern und Verbündeten, Allianzen und Begehrlichkeiten geschaffen, das eine äußerst konfliktreiche Konferenz versprach.
Die Amateurfunkverbände befürchteten, nicht zu Unrecht, dass bei der allgemeinen und generellen Neuverteilung die seinerzeit den Funkamateuren für ihre Experimente zugesagten „nutzlosen“ Schutzräume gefährdet seien. Daher hatte man in langfristiger Vorbereitung verbandsintern, innerhalb der IARU, aber auch in Gesprächen mit der nationalen Funkverwaltung die eigene Position koordiniert und kommuniziert. Für die WARC stand fest: Am besten hatten es jene Verbände, die lizenzierte Mitglieder direkt an prominenter Stelle unter den Delegierten wussten. Auch „eigenen Leute“ in der zweiten Reihe waren nützlich und hilfreich, weil man auf ihr Insiderwissen zählte. Die Hauptlast der Verantwortung trug aber die IARU-Delegation.

Vorbereitung auf Hochtouren

Der Verwaltungsrat der ITU hatte den Beratenden Ausschuss für den Funkdienst (CCIR - Comité Consultatif International des Radiocommunications) aufgefordert, „alle erforderlichen Unterlagen durchzuführen, um rechtzeitig die technischen Informationen vorlegen zu können, die als Grundlage der WARC gebraucht werden.“ [2] Das CCIR erarbeitete daraufhin in zahlreichen Studiengruppen eine Reihe von Erhebungen, von denen rund 250 als für ein SPR (Special Preparatory Meeting) relevant eingestuft wurden.[3] Zwei Empfehlungen wurden direkt an die WARC weitergeleitet und sind bis heute auch für Funkamateure aktuell: Nr. 535 sieht die generelle Bezeichnung UTC (Universal Tome Co-ordinated) anstelle der bisherigen GMT (Greenwich Mean Time) vor; Empfehlung 507 definiert das System der Einteilung und Bezeichnungen für die verschiedenen Arten der Aussendungen.
Das SPM fand vom 23. Oktober bis 17. November 1978 in Genf statt. 750 Delegierte von 85 Fernmeldeverwaltungen nahmen teil, acht Komitees in 21 Arbeitsgruppen und 42 Unterarbeitsgruppen nahmen sich über 400 Dokumente vor. Drei davon betrafen explizit den Amateurfunk: Technische Möglichkeit der Frequenz-Mitbenutzung durch den Amateurfunkdienst über Satelliten[4], Vorzugsweise im Amateurfunkdienst einzusetzende Frequenzbänder über 30MHz[5] und Im Amateurfunkdienst vorzugsweise einzusetzende Frequenzbänder unterhalb von 30MHz.[6] Dass der Direktor des CCIR, Richard C. Kirby, als HB9BOA/W0LCT lizenziert war, sollte sich nicht unbedingt als Nachteil für die Lobbyisten erweisen, unter ihnen David Sumner, K1ZZ, und von deutscher Seite der 1. Vorsitzende des DARC, Philipp Lessig, DK3LP, und der Referent für Funkverwaltungsfragen, Alfred Müller, DL1FL. Dennoch war zu Konferenzende durchaus ungewiss, welchen Inhalt der alle diese Fragen betreffende Resolutionsentwurf Doc/PLEN 1009 haben wurde.
Ein wichtiger Impuls kam zuletzt von der UAG R21 im Juni 1979 in Oslo: Auf eine einheitliche Regelung im 40-m-Band konnte man sich zwar nicht festlegen, aber definitiv wurde vorgeschlagen, dem Amateurfunk Bandbereiche bei 10, 18 und 24MHz zuzusprechen.
Eine weitere bedeutende Vorbesprechung, im April 1979 in Paris, brachte zwischen den Vertretern der CEPT und der OSS, der Organisation Sozialistischer Staaten, kaum Annäherung.

Die heiße Phase

Gewissermaßen als Auftakt fand vom 20.-26. September in Genf die Welt-Fernmeldeausstellung TELECOM’79 statt.
Die WARC tagte vom 24. September bis zum 6. Dezember 1979 im Internationalen Konferenzzentrum in Genf. Eröffnet wurde freilich erst am 27. September. Vier Tage hatte man hinter verschlossenen Türen den Konsens für den Konferenzvorsitz (R.J.P. Severini, Argentinien) und die Leitung der neun Komitees [7] ausgehandelt – ein erstes Kräftemessen und demonstratives Muskelspiel. Auch hatten 14 Länder den Fernmeldevertrag 1973 von Malaga-Torremolinos noch nicht ratifiziert oder waren mit ihren ITU-Mitgliedsbeiträgen in Rückstand geraten. Sieben Länder ließen sich durch andere Delegationen vertreten.
Die 2.000 Vertreter der 142 Delegationen und dreißig internationaler Organisationen als Beobachter (u.a. der IARU)[8] fanden pro Arbeitssprache bereits 7.000 Seiten an Arbeitsdokumenten vor, zu denen sich im Verlauf der Tagung Papiere zu weiteren 12.500 Einzelvorschlägen gesellten. Unterm Strich kostete allein der Druck der 27 Millionen Seiten eine halbe Million Franken; die ITU hatte 96 Tonnen Papier bestellt.[9]
Zehn Wochen lang feilschte und kämpfte man um die Revision des internationalen Frquenzbereichsplans und damit um die Aufteilung des gesamten Frequenzspektrums von 10kHz bis 275GHz auf die verschiedenen Funkdienste, also um die Bereiche für den festen und beweglichen Land-, See- und Flugfunk, Naviagtions- und Ortungsdienste, Rundfunk (Radio und Fernsehen), Meteorologie und Weltraumforschung, Amateurfunk und den gesamten Satellitenfunk. Zu überarbeiten oder neu zu fassen waren die Definition und Verfahren zur Koordination, Notifikation und Registrierung der Frequenzen. Das Frequenzregister enthielt bereits 540.000 Eintragungen in 3.330 Frequenzbändern, garniert mit rund 400 Fußnoten mit Sonderbestimmungen zugunsten einzelner Länder, Ländergruppen oder Dienste.
Die Zeit wurde knapp. Am weitesten in Rückstand geriet das bald das Komitee 5 (Frequenzzuweisung), auf das mit 11.300 Vorschlägen siebzig Prozent aller Eingaben entfielen. Auch andere Komitees waren zuletzt gezwungen, täglich von 9 bis 23 Uhr in drei Schichten zu arbeiten.

Amateurfunkdienst: Erfolge und vergebliches Hoffen

Die Fülle der Ergebnisse der WARC aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Selbst zum Artikel N30 der VoFunk (Amateurfunkdienst), wo sich Erfolge und Rückschläge die Waage hielten, müssen Stichworte genügen:
Im 1,8-MHz-Band erhielt die Region 1 dank Schweizer Fürsprache eine exklusive Zuweisung im Bereich 1.810-1.850kHz, die Regionen 2 und 3 bekamen 1.800-1.850kHz zugebilligt, 1.950-2.000kHz nur partagiert.
Beim 40-m- und beim 10-m-Band konnte man sich auch nach mehrtägigen Ringen auf keine weltweite Erweiterung einigen. Zu viele Länder votierten für NOC, das Kürzel für „no change“.
Auch die Vorschläge für neue KW-Bänder fanden nur wenige Befürworter, bis man schließlich 24.890-24.990kHz in die provisorische Tabelle aufnahm, 18.068-18.168kHz sofern vorher eine Umschichtung des Festen Funkdienstes gelingen sollte, und 10.100-10.150kHz sekundär mit dem Festen Funkdienst als primären Benutzer.
Gegen ein exklusives 50-MHz-Band sprachen sich vor allem Frankreich und die Sowjetunion aus, die bei Überreichweiten TV-Störungen befürchteten. Auch ein Kompromissvorschlag Norwegens, regionale Sonderregelungen zu gestatten, wurde abgeschmettert.
Unerwartete Schwierigkeiten gab es beim 14-MHz-Band. Zunächst hatte die VR China den Weg zu einer Exklusiv-Zuweisung frei gemacht, dann aber bestanden Singapur und Indonesien auf eine Primäreintragung, die ihnen mit einigen Einschränkungen gestattet wurde, da sonst die ganze Regelung zu Fall gekommen wäre.
In den hohen Bereichen, 2.300 und 3.400MHz, 10 und 24GHz stritt man um partagierte Bereiche oder winzige Exklusiv-Abschnitte. Zwischen 47 und 248GHz wurden vier neue Bereiche in Aussicht genommen. Der Bereich über 275GHz wurde wegen ungelöster Technologie und Anwendungsmöglichkeiten für aktive Funkdienste nicht zugeteilt.
In die VoFunk als Fußnoten aufgenommen wurde eine WARC-Entschließung „BN“ über internationalen Notverkehr in Amateurfunk-Bereichen.
Detail am Rande: Die Verwaltung der DDR beantragte die endgültige Zuweisung der provisorisch vom ITU-Generalsekretär ausgegebenen Rufzeichenreihen Y2A-Y9Z und gab bekannt, dass sie dann die in der bisherigen VoFunk von 1959 allgemein für „Deutschland“ zugewiesenen Rufzeichenreihen DAA-DTZ nicht länger zu benutzen gedenke. [10] (Die Folgen dieser Maßnahme spüren wir zum Teil erst jetzt mit den neuen Rufzeichenblöcken aus der Bundesrepublik.)

Am Ende steht der neue Anfang

Die WARC wurde am 6. Dezember 1979 nach 74 Arbeitstagen und 984 Sitzungen der Vollversammlung, der Komitees und ihrer Arbeitsgruppen beendet. Die Konferenz war das bisher größte und wichtigste Unternehmen in der Geschichte der ITU.
Alfred Müller, DL1FL, fasste das Ergebnis so zusammen: „Angesichts der vielfachen, von Staatsinteressen getragenen Frequenz-Neuanforderungen wäre es für den Amateurfunkdienst schon ein Erfolg gewesen, wenn er seinen bisherigen Besitzstand gehalten hätte. Dass ihm darüber hinaus neue Bände zugestanden wurden, kann nur als triumphaler Erfolg seiner jahrelangen Vorbereitungen und seines Zusammenwirkens auf der WARC angesehen werden.“[11]
Aus heutiger Sicht geradezu prophetisch hören sich aber die Worte an, die Philipp Lessig, DK3LP, an die Teilnehmer einer IARU-Konferenz gerichtet hatte: „Es ist durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich, das die IARU und ihre Verbände schon in fünf Jahren wieder gezwungen sein werden, die Amateurfunkbänder erneut bei einer WARC zu verteidigen.“[12]




<< zurück | < zur Übersicht


Fußnoten und PDF zur Folge 49

mehr >>


(50): Die Achtzigerjahre: Saturiert im Paradigmenwechsel

(50): Die Achtzigerjahre: Saturiert im ParadigmenwechselzoomWir nähern uns dem Ende der Chronik, weil allmählich die Schutzfrist zu Personenangaben greift und mangelnde Quellenlage oder Informationsbereitschaft noch keine seriöse Recherche gestatten. Ehe wir uns den bislang vernachlässigten Themengebieten widmen (Technik, Großveranstaltungen...), werfen wir – die runde Zahl der Folgen zum Vorwand nehmend - noch einmal einen Blick zurück auf den Weg, den wir zuletzt durch die Zeiten gegangen sind.

mehr >>


PDF zur Folge 50



Download [239.6 KB]Folge 50 - Achtzigerjahre [PDF , 239.6 KB]


QSL Collection - Dokumentationsarchiv Funk

Martin Thaller IT Dienstleistungen

Sponsor CMS

Martin Thaller IT Dienstleistungen