Deutsche Amateurfunk-Geschichte, Folgen 60-63


Cliff Evans und das DL-CHC-Chapter #10

Cliff Evans und das DL-CHC-Chapter #10zoom1967: Cliff Evans, K6BX, besucht Europa
Plötzlich verbreitete sich die Nachricht, K6BX komme nach Frankfurt, bleibe hier einige Tage und werde dann die CHC-Chapter in Osteuropa besuchen. Eine aktive Gruppe deutscher CHC-Mitglieder und DX-Freunde traf sich daraufhin in Frankfurt/Main und bereitete K6BX einen wirklich würdigen Empfang. An jenem Wochenende im Hotel Holiday Inn waren unter anderem dabei: Hansgeorg Bähr, DJ2UU; Renate Krause, DJ9SB; Wolfgang Landgraf, DL9HC; Hermann Groh, DL1HH; Carl Vogel, DL9RE; Karl Diebold, DJ1BM, der spätere DARC-Geschäftsführer, und sogar K1QHD/DL4EO, der oben erwähnte Albert L. Kemmesies. Vor allem Hansgeorg Bähr, DJ2UU, und Eberhard Warnecke, DJ8OT, legten großen Wert darauf, den CHC-Boss endlich zu treffen, freundlich zu begrüßen und ihm einige Fragen zu stellen.
Das Treffen verlief skurril bis unverständlich. Zunächst beachtete K6BX das Empfangskomitee überhaupt nicht, und die deutschen Gastgeber dachten schon, ihr Englisch sei vielleicht nicht ausreichend gut. Sie baten perfekt englisch sprechende Freunde um Übersetzungshilfe und mussten feststellen, dass K6BX sie weder anhören noch verstehen wollte. Stellte man ihm eine Frage, antwortete K6BX, er trage im Augenblick nicht die Brille mit seinem Hörgerät und könne daher nichts verstehen. (Als im zweiten Weltkrieg hoch dekorierter Bomberpilot war K6BX schwer kriegsversehrt, sah und hörte schlecht.) Man wartete geduldig, bis er die Brille wechselte, und wiederholte die Frage. Jetzt sagte Evans, er habe zur Brille mit den falschen Gläsern greifen müssen, könne sein Gegenüber nicht erkennen, und Menschen, die er nicht sehen könne, wolle er nicht antworten.
Was Wunder, dass die Begegnung damit auch schon ihr Ende gefunden hatte. Cliff Evans reiste weiter in die Tschechoslowakei, nach Ungarn und Rumänien und kehrte via DDR in die USA zurück. Überall verbreitete er die Nachricht, die Mitglieder der dortigen CHC-Chapter könnten sämtliche Diplome beim Chapter #10 in Deutschland beantragen und seien von der Zahlung der Diplomgebühr befreit. Daraufhin trafen bei DJ2UU Hunderte von Diplomanträgen aus den osteuropäischen Ländern ein, und aus zähneknirschender Solidarität erfüllte man den Funkfreunden ihre Wünsche. Die nur von Diplomgebühren und mit freiwilligen Beiträgen von DL9KP geförderte Kasse des Chapters sackte jeden Monat tiefer in die roten Zahlen. Als man einige Tausend DM im Minus lag, musste schließlich die Notbremse gezogen werden.
Die sowjetischen Funkamateure waren die ersten, die ein harsches Statement gegen K6BX verfassten und geschlossen aus dem CHC austraten. Dies bewirkte eine Lawine von CHC-Austritten, zumal die Begründung in der Zeitschrift der ARRL, der QST mit Nennung Hunderter von Rufzeichen veröffentlicht worden war. Mehrere CHC-Chapter folgten dem Vorbild der sowjetischen Amateure, und so verschwand auch so manches renommierte Diplom.
Zu dieser Zeit trat DJ2UU als Diplommanager des CHC-Chapters #10 zurück, um weiteres Unheil abzuwenden. Er wollte und konnte die Flut der ohne Gebühren eingereichten Diplomanträge nicht länger bearbeiten. Karl Heinz Kümmerle, DL2JB, sein Nachfolger, nahm den entscheidenden Schnitt vor uns akzeptierte nur noch Anträge mit Gebühren.

Ende und Neuanfang
Am 28. Oktober 1967 traf sich noch einmal der Vorstand des DL-CHC-Chapters #10 mit einigen Freunden (DL9KP, DL9XN, DJ2UU, DL3BP, DL8YX, DJ2XP, DJ2GG, DJ2YE und DL3WC) in Montabaur und verfasste ein Statement an K6BX. Er solle seine Anschuldigungen mit Bedauern zurück nehmen, denn man könne es noch immer nicht fassen, dass ein einstmals international so angesehener OM seine eigene große Idee gefährde. Man gab K6BX ein volles Jahr Zeit zur Antwort - die aber nie mehr erfolgte.
Als die Frist verstrichen war, verfasste die Gruppe den letzten CHC-Rundbrief. Es war nur eine Seite mit der knappen Mitteilung in deutscher und englischer Sprache, dass das CH-Chapter #10 sich als aufgelöst erkläre.
Damals gab es jeweils im Herbst ein mit jedem Jahr besser besuchtes internationales Amateurfunktreffen in Kempen am Niederrhein, das Ham Radio Border Meeting, HRBM, zu dem der DARC-Ortsverband Kempen unter Leitung seines blinden Vorsitzenden Heinz Richter, DJ4AH, einlud. Kempen war für Funkamateuren also ein Fixpunkt, und auch das DL-Chapter des CHC hatte bereits wiederholt dort zeitgleich CHC-Treffen ausgerichtet. Im Programmheft zum HRBM 1969 erfolgte der Aufruf, zur Gründung einer "neuen Diplominteressengruppe" nach Kempen zu kommen. Diese Einladung ging nicht nur an die ehemaligen CHC-Mitglieder, sie wurde auch auf den Bändern eifrig verbreitet.
Der Zeitpunkt war insofern ungünstig, als der DARC damals jede Neugründung sehr skeptisch beobachtete: Man befand sich mitten in der heftigen Diskussion um den umstrittenen Bau eines Amateurfunk-Zentrums in Baunatal, und der Verdacht lag nahe, dass sich die kritische Opposition zu vereinigen suchte.
Dieser Verdacht war unbegründet. Von allem Anfang an hielt sich die neue Gruppierung aus allen Querelen heraus und bekannte ihre Loyalität zum DARC.
Am 10. Oktober 1969 wurde in der Gaststätte "Kempener Hof" die Diplom Interessen Gruppe – DIG offiziell gegründet. Die von
DJ8OT mit Hilfe von DL9KP, DL9XN und DL1YA erarbeitete Satzung wurde vorgelesen und angenommen, und jeder bei der Gründungsversammlung Anwesende, der unterschrieb, bekundete damit seine DIG-Mitgliedschaft. Anwesend waren fast nur ehemalige Mitglieder des CHC-Chapters #10, besaß also bereits zumindest die als Minimum erforderlichen 25 Amateurfunk-Diplome. Schließlich waren es vierzig Funkamateure, die sich seitdem zu den Gründern der DIG zählen dürfen.[4]


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