Amateurfunk-Geschichte Deutschland - Folgen 48-50


(48) 1977/78: Neue Herausforderungen, alte Gefahren

„Vereinsmeierei“

Eine Außerordentliche Clubversammlung beschließt am 5. März 1977 die geänderte Satzung des DARC (die mit 22.04.1977 vom Amtsgericht Kassel ins Vereinsregister eingetragen wird) und wählt Klaus Michel, DJ1AM, zum 3. Vorsitzenden.[2]
Die Hauptversammlung 1977, am 23. und 24. April im Karlsruhe, beschäftigt sich vor allem mit dem Stand der Vorbereitung auf die WARC 1979. Die Standpunkte und Wünsche des DARC hatte man bereits am 23. März bei einer Tagung im Bundespostministerium hinterlegt.
Der Vorstand tagt am 25./26. Juni 1977 in Erlaubrunn bei Würzburg. Der Geschäftsführer darf einen Assistenten und eine Halbtagskraft im Sekretariat anstellen. Die QSL-Maschine (zur Erinnerung: die zweite halb-mechanische Anlage) hat ausgedient, nun wird auf EDV umgestellt. Die Mietanlage „besteht aus einer Zentraleinheit mit Festplatten- und Diskettenspeicher, vier Druckerterminals, zwei Datensichtgeräten und einem Matrixdrucker ... und wird die folgenden Aufgaben übernehmen: Codierung aller eingehenden QSL-Karten mit dem DOK, Verwaltung des Mitgliederdatenbestandes, Erfassung aller Buchungsvorgänge und Abfrage von Mitgliederdaten.“ Der gesteigerte Arbeitsaufwand erfordert zwei weitere Halbtags-Planstellen an den Kodierplätzen. Der Personalkostenanteil des DARC beträgt nun 28% des Haushalts.[3] Bei der zweiten Jahressitzung des Vorstands, am 9./10. September 1977 in Weinheim, wird beschlossen, 5.000DM als Reisekostenzuschuss afrikanischer Funkverbände zur WARC 1979 zu spenden. Die endlich abgeschlossene Mitgliedererfassung gestattet es, in großem Umfang „Karteileichen“ zu bereinigen. Die Rückzahlung der ersten Bausteine, die vor fünf Jahren als Darlehen für das AFZ ausgegeben worden waren, wird ausgelost.[4]
Vom 21.-23. Oktober 1977 findet in Baunatal die Herbstversammlung des Amateurrats statt und segnet die Beschlüsse des Vorstands ab.
Mit dem Erzfeind DL1CU streitet man weiter. Stein des Anstoßes diesmal: Felix Körner meldet für seinen Verlag einen Stand bei der Ham Radio an. Im Auftrag des DARC teilt ihm die Messeleitung mit, dass er wegen der „wiederholten, herabsetzenden Berichterstattung ... gegen den ideellen Träger der Veranstaltung ... dem DARC nicht zumutbar ist.“[5] Felix klagt, der DARC geht mit einem zehnseitigen Schriftsatz in Berufung, das Oberlandesgericht Stuttgart schmettert den Einwand ab, Felix darf ausstellen. Zur Ham Radio 77 „mit Bodenseetreffen“ kommen vom 8.-10. Juli 9.300 Besucher – im Vorjahr, bei der Premiere, waren es 6.500 gewesen. 87 Aussteller beteiligen sich, das sind 17 mehr als im Vorjahr. Der DARC registriert stolz, dass die Verlegung und Quasi-Übernahme aus Konstanz sich gelohnt habe.[6] 1978 (30.6.-2.7.) erhöht sich die Zahl der Aussteller auf 98, die 175 Firmen repräsentieren; es kommen 10.800 Besucher.[7]
Auf einem anderen Gebiet scheint ein DARC-Vorstoß erfolgreicher gewesen zu sein. Das Mitglied des Bundestags Dr. Nils Diederich richtet an den Bundestag eine Anfrage zum „Jedermannfunk“, die der Postminister schriftlich beantworten lässt: „Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Anzahl der Sprechfunkkanäle für den sogenannten ‚Jedermannfunk’ zu erhöhen. ... Dementsprechend existieren derzeit auch keine Überlegungen, dem Jedermannfunk (Frequenzbereich 27,12 MHz) die Mitbenutzung von Frequenzen des Amateurfunkdienstes oder anderer Funkdienste zu gestatten. ... Die Bundesregierung betrachtet mit Sorge, dass zahlreiche Benutzer des 27-MHz-Bandes ihre Geräte technisch in unzulässiger Weise verändern. Wegen der dadurch entstehenden Gefahr der Beeinträchtigung und Störung anderer Funkdienste wird sie mit Hilfe von messtechnischen Ermittlungen und der Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten die entsprechenden Schritte unternehmen, um diesen Verstößen zu begegnen.“[8] Interessant ist der Vergleich der Ergebnisse einer Umfrage bei den 1.850 Mitgliedern in den 37 Ortsverbänden des DARC, Distrikt Köln-Aachen, wenn man die Auswertung mit der heutigen Situation vergleicht: Jeweils die Hälfte der Funkfreunde ist hauptsächlich auf KW bzw. UKW tätig; nur 19% interessieren sich für die Mitarbeit im Distrikt; nur 13% sind hauptsächlich wegen der QSL-Vermittlung beim DARC.[9]
Schwerpunkte der Vereinsarbeit: Dank der Einführung der elektronischen Beitragsrechnung gewinnt man erstmals einen korrekten Überblick. Allein 1977 werden daraufhin 1.083 Mitglieder wegen Zahlungsrückstands gestrichen. Andererseits erzielt man 194.000DM aus Nachzahlungen für 1975/76. Die QSL-Vermittlung bearbeitet pro Tag nun durchschnittlich 23.600 Karten (1973 waren es 15.200). Die Rufzeichenblöcke DD6-DD9 können wegen Überlastung nicht mehr automatisch sortiert werden.[10] Im Oktober 1978 beginnt die Umrüstung auf die neue Anlage.
Die wichtigsten Verbandstermine 1978: Die Hauptversammlung des Amateurrats am 5. und 6. Mai in Scharbeutz beschließt die Gründung einer DARC-Verlags-GmbH. Bei der Herbstsitzung des Amateurrats, am 21. und 22. Oktober in Fürth wird scharf die mangelnde Kommunikation „nach unten“ bemängelt. Der neue Geschäftsstellen-Bereichsleiter Paul Schneider, DC6IR, soll dem abhelfen. Eine Zusatzvereinbarung zum Korporativvertrag mit dem VFDB beendet eine bereits seit langem dauernde Missstimmung seit der Neufassung der DARC-Statuten: Der VFDB wird nun hinsichtlich der Stimmenzahl mit einem Distrikt des DARC gleich gestellt. Ursprünglich hätten sämtliche kooperierten Verbände gemeinsam über nur eine Stimme verfügt. Nach heftigster Diskussion wird der Haushaltsvoranschlag für 1979 mit einer Summe von rund 2,9 Mio. DM gebilligt.[11]

Die neue „Drohung“: Mikroelektronik

(Siehe dazu auch den Kommentar bei Folge 47.) Noch haben sich viele Altamateure nicht mit der Transistor-Technologie anfreunden können, da „droht“ nun die nächste Innovation: „Der Mikroprozessor ist geboren. Innerhalb der professionellen Elektronik werden schon heute Möglichkeiten erwogen, hunderttausend, ja bis über eine Million Bauelemente auf einem einzigen Kristall unterzubringen. ... Der Integrierte Schaltkreis bringt die totale Elektronisierung des Lebens. Es wird die Taschenlampe, den Rasierer, Staubsauger, Elektroherd usw. mit ICs geben, die ICs werden die Erde in größeren Stückzahlen bevölkern als die ihnen nur äußerlich ähnelnden Insekten. ... Die Mikro-Elektronik hat auch im Bereich des Amateurfunks zu tiefgreifenden, ja revolutionierenden Veränderungen geführt. Der Funkamateur, der früher zumeist selbst baute oder mindestens selbst reparierte, wird mit Industriebausätzen oder kommerziellen Fertiggeräten ... konfrontiert ... auf denen ICs auf beidseitig bedruckten, durchkontaktierten Platinen wie Friedhofsgräber aneinandergereiht [sind]. ... In manchen Stationen werden schon jetzt die Morseichen nicht mehr ‚von Hand’ gegeben, sondern mittels einer mit ICs vollgepackten Elektronik ‚generiert’. Die empfangenen Zeichen werden mit einer weiteren Elektronik in Buchstabenschrift umgesetzt. ... Nun endlich hat das Daten-Terminal in Gestalt des flimmernden Bildschirms auch die Amateurfunkstation erobert. ... Die ganz fortschrittlichen Amateure werden bald ihre Stations- und QSO-Daten im eigenen Kleincomputer verarbeiten. ... Die Amateurfunkstation wird zur Datenstation. ... Hier spätestens kann, ja sollte man sich fragen, ob noch von echtem Amateur-Funk im ursprünglichen Sinne gesprochen werden kann oder ob wir nolens volens Abschied nehmen müssen von einer alten, liebenswürdigen, nicht nur im technischen Sinn verstandenen Tradition.“[12]
Die Reaktion auf Kommentare wie diesen – aus heutiger Perspektive teils hellsichtig, teils naiv – ist anfangs überwiegend schroff und negativ: „Wir Älteren lehnen fast alle ganz tief im Grunde unseres Herzens diese Computer-Technik ab, wenn sie speziell Eingang in das weite Feld des Amateurradio findet. ... Ob wir nun glücklich sind darüber oder nicht, es wäre auf keinen Fall gut für uns, wenn wir den ‚Anschluss an die Zukunft’ verpassen oder verschlafen würden.“[13] Das klingt immerhin differenzierter als das kategorische: „Wenn sich jemand an Mikroprozessoren aufgeilt, dann soll er es tun und ruhig von seiner Warte aus alle anderen als Deppen betrachten. Was macht das schon.“[14] Und prophetisch ist die Mahnung: „Wehe dem Funkamateur, der nicht in ein bis zwei Jahren über MikroPCs, seine Technologie, Hardware und Software Bescheid weiß. Es wird ihm vielleicht so ergehen, wie beim Umschwung von der Röhre zum Transistor.“[15]

Die IARU tagt: Am Horizont die WARC

1979 wird es eine Funkverwaltungskonferenz geben, die erste nach zwanzig Jahren. Sie soll sich unter anderem mit der umfangreichen Revision der Frequenzzuweisungen an alle (zum Teil neuen) Funkdienste befassen wird und eine bis zum Jahr 2000 vorausschauende Regelung bringen soll. Seit der Ankündigung der WARC sind auch die Organisationen der Funkamateure alarmiert. Die Stimmung schwankt zwischen Besorgnis und Hoffnung. Viele Komitees werden einberufen; jetzt trifft man einander erstmals seit der Tagung in Warschau, 1975, um die Marschroute definitiv festzulegen. Zur Konferenz der IARU, Region 1, vom 24.-28. April 1978 in Miskolc-Tapolca, Ungarn, entsenden 26 Mitgliedsverbände ihre Vertreter, acht weitere lassen sich vertreten – wobei der DARC übrigens Rhodesien vertritt. Wichtigstes Ergebnis: Die Verwaltungen sollen um Zuweisungen bei 10,1, 18,568 und 24,0MHz ersucht werden, sowie um die Erweiterung des 40-m-Bandes ab 6,9MHz und um zumindest teilweise Exklusivität bei 3,5 und 1,8MHz. Erstmals wurde auch die Frage der Prüfungs-Erfordernis von CW erörtert; ein diesbezüglicher Vorschlag zur Streichung, eingebracht von Bulgarien, wurde heftig abgeschmettert.[16]

Ätherhürdenlauf bei „Dalli-Dalli“

Am 15. Juni 1978 zählt Amateurfunk zu einem der Fragenkomplexe in Hans Rosenthals ZDF-Sendung „Dalli-Dalli“. Jürgen Grätsch, DK8AP, muss mehrere Fragen beantworten, die der DARC – ihm natürlich unbekannt – vorbereitet hatte und während der Sendung eine Live-Verbindung herstellen. Das ZDF mietet einen 30m-Gittermast für einen 6-Element-Richtstrahler an, der nach Argentinien ausgerichtet wurde. Bei der Generalprobe klappt die zuvor organisierte Verbindung mit Rudi, LU6DZG, in Buenos Aires auf Anhieb. Bei der Sendung selbst muss allerdings der in Reserve bereit stehende Geraldo Grimmon, LU4IAD, in Obera einspringen. Hinter der Bühne bereitet DK0ZF die Verbindung vor – kein Wunder, dass sie dann „auf Anhieb“ klappt. Das Insert mit dem falschen Rufzeichen konnte allerdings nicht mehr korrigiert werden.[17]

Was sonst geschah

General Hugo Panzer, der Präsident Boliviens, wird Funkamateur mit dem Rufzeichen CP1CL.
Günter Furche, DL9FG, erhält Anfang 1977 die zweite /MM-Sondergenehmigung für seine Jacht „Roswitha“. Der erste /MM war Ende 1976 Hans Joachim Hornberg, DJ4IG, für eine Atlantik-Überquerung mit seiner Slup „Bije“.[18]
Vom 27. bis 30. Mai 1977 (Pfingsten) findet in Wolfsburg das DARC-Europa-Treffen statt.
Zur Internationalen Funkausstellung 1977 in Berlin gibt die Bundespost eine Sonderbriefmarke heraus. Sie zeigt das Signet der IFA, einen Fernsprecher aus dem Jahr 1905 und den 1976 in Deutschland eingeführten Tastenwahlapparat. Der DARC ist nun schon traditionell mit einem großen Messestand vertreten. Zum Ham-Abend kommen achthundert Gäste!
Die Diplom Interessen Gruppe, DIG, hat als Gruß die 77 gewählt – einen guten Anlass, dies für ein eigenes Diplom zu nützen, bietet das Jahr 1977.
Der Ortsverband Bergstraße, F02, ehrt sein Mitglied Jürgen Vietor, DJ6FP, Copilot der nach Somalia entführten und in einer spektakulären Aktion befreiten Lufthansa-Maschine „Landshut“.
Am 3. April 1978 verbrennt Thor Heyerdahl vor der Insel Nusa, sechs Kilometer vor Djibouti, aus Protest gegen den Krieg am Horn von Afrika sein Schilfboot „Tigris“. Er war mit dem Boot 144 Tage auf See gewesen, hatte 12.600km zurückgelegt – und die Amateurfunkstation LI2B aktiviert, die nun für immer verstummt.
Am 1. Mai 1978 beendet Naomi Uemura,JG1QFW, erfolgreich eine Schlittenfahrt – die erste eines Menschen im Alleingang zum Nordpol. Naomi ist gut austrainiert: er hat auf fünf Kontinenten die höchsten Gipfel bestiegen, hat mit einem Balsa-Floß den Amazonas bezwungen und am weltweit längsten Schlittenhunde-Wettlauf teilgenommen. 500 Meilen sind es von Ellesmere Island, wo er im März startet, bis zum Pol. Das Smithsonian Institute hat ihm eine Bake auf den Schlitten gepackt, die mit dem Wettersatelliten Nimbus 6 Kontakt hält, und über einen 5-MHz-Transceiver hält er Kontakt mit VE8RSC in Alert, NWT.[19]


Mitgliederentwicklung            
Laut FTZ Kl. A/B Kl. C DARC* VFDB* Gesamt* OV
1977 17.785 12.375 31.920 2.784 34.668 646
1978 19.950 14.900 35.920 3.009 38.929 677
*Der Organisierungsgrad beträgt 86,5 (30.160 Mitglieder im DARC, inkl. SWL)            

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(49) 1979: Alles neu macht die WARC

(49) 1979: Alles neu macht die WARCzoomDie Geschichte der Funkverwaltungskonferenzen seit 1911 (Bild) bietet ein getreues Spiegelbild der Entwicklung des Funkwesens. Meist stand man vor vollendeten Tatsachen, und es galt, unter Berücksichtigung der oft unvereinbaren nationalen Wünsche und Begehrlichkeiten alles disparat Vorhandene in ein Regelwerk zu bündeln. Hin und wieder gab man sich prophetisch, um dann von der Realität überrumpelt zu werden. (Ein typisches Beispiel: die WARC 1977 mit den Kriterien für den künftigen Betrieb von Rundfunksatelliten und die Regelung, pro Staat, unabhängig seiner Größe, fünf Fernsehkanäle auf einer bestimmten Orbitposition zu vergeben.)

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Fußnoten und PDF zur Folge 49

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(50): Die Achtzigerjahre: Saturiert im Paradigmenwechsel

(50): Die Achtzigerjahre: Saturiert im ParadigmenwechselzoomWir nähern uns dem Ende der Chronik, weil allmählich die Schutzfrist zu Personenangaben greift und mangelnde Quellenlage oder Informationsbereitschaft noch keine seriöse Recherche gestatten. Ehe wir uns den bislang vernachlässigten Themengebieten widmen (Technik, Großveranstaltungen...), werfen wir – die runde Zahl der Folgen zum Vorwand nehmend - noch einmal einen Blick zurück auf den Weg, den wir zuletzt durch die Zeiten gegangen sind.

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