Amateurfunkgeschichte Deutschland, Folgen 54-56


(54) DDR 1989/1990(1): Der Radiosportverband wird unabhängig

von Christian Senne

(54) DDR 1989/1990(1): Der Radiosportverband wird unabhängig zoomDie Erosion des Staatsgefüges der DDR machte 1989 auch nicht vor den Massenorganisationen halt. So befand sich auch die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) plötzlich auf dem Prüfstand und mit ihr der bisherige Radiosportverband der DDR (RSV). Die Meinungen zum Verbleib oder Austritt aus einem zukünftigen Dachverband gingen bei den Funkamateuren der DDR stark auseinander, man kann sogar von einem Riss durch die Gruppe sprechen. Die schon im November 1989 ausgearbeiteten Pläne in Dresden, die einen eigenen, unabhängigen Verband zum Ziel hatten, bekamen nun stärkere Konturen. In einer Diskussion des Bezirkes Rostock am 10. Februar 1990 beispielsweise zeigte sich, dass die Hälfte der dortigen Funkamateure für einen Ausstieg aus der GST plädierte, Tendenz steigend.[1]

Außerordentlicher Verbandstag
Für den 24. März 1990 war ein außerordentlicher Verbandstag der Funkamateure anberaumt, um die zukünftige Organisationsform zu beschließen. Hierfür wurden bis Ende Februar 1990 per Wahl aus allen Bezirken Delegierte bestimmt.[2] Bis zum Verbandstag trafen zahlreiche Eingaben und Anträge von Gruppen und Einzelpersonen ein. Im Rundspruch wurden diese wie folgt zusammengefasst:
„Inhaltlich gehen von ihnen verschiedenartige Impulse aus. Sie reichen von kompromissloser Ablehnung eines Dachverbandes bin hin zu Ängsten vieler Mitglieder, dass positive Elemente der bisherigen Struktur auf der Strecke bleiben. Nicht mehr zu überhören sind Stimmen, die fordern, sich erst mit dem vorliegenden Statut-Entwurf einer radikal erneuerten GST zu befassen, bevor darüber abgestimmt wird, ob ein Dachverband für die Realisierung der Zielstellungen des RSV sinnvoll ist oder nicht.“[3]

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Demokratische Wahlen – neues Vereinsgesetz - Gründung des RSV e.V.
Dem Verbandstag am 24. März 1990 gingen zwei Ereignisse voraus, die diesen mit beeinflussten. Erstens die freie Volkskammerwahl, die mit einem deutlichen Sieg der als Allianz für Deutschland angetretenen Christlich-Demokratischen Union (CDU), Deutschen Sozialen Union (DSU) und dem Demokratischen Aufbruch (DA) endete und so den Willen zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten unterstrich. Zweitens das neue Gesetz über Vereinigungen in der DDR, welches am 21. Februar 1990 verabschiedet wurde und bis zum Einigungsvertrag am 31. August 1990 die Vereinsgründungen regelte. Die Bildung von Vereinigungen war nun frei und keiner Genehmigung mehr unterworfen.[8] Das neue Vereinigungsgesetz war für die Ilmenauer Funkamateure in Thüringen Anlass, sich juristische Gedanken im Vorfeld zu möglichen Konsequenzen eines Austritts aus dem Dachverband zu machen. Dieses Strategiepapier überreichten die Ilmenauer noch unmittelbar vor Beginn des Verbandstages an die Dresdener, die - nach eigenem Bekunden - dies „als Ganzes noch nicht gedacht“ hatten. Ilmenau plädierte dafür, nicht einen Arbeitsausschuss, sondern direkt einen neuen Vorstand zu wählen, der dann nach einer schnell zu erfolgenden Registrierung die Gemeinnützigkeit beantragen sollte. Unmittelbar nach der Registrierung könnte die bisherige Geschäftsstelle darauf hingewiesen werden, dass man sich als Rechtsnachfolger im Sinne einer juristischen Person des bisherigen RSV sehe, um so die Verwaltung des hiermit zusammenhängenden Volkseigentums (insbesondere die Funktechnik) übertragen zu bekommen. Schließlich plädierten die Thüringer dafür, nicht aktiv am neuen Statut des BTSV mitzuarbeiten, um sich so nicht unter einen möglichen Zugzwang bezüglich eines Beitritts zum Dachverband zu bringen. Vielmehr sollten daher höchstens Beobachter zum Sporttag Ende April gesendet werden. Hauptkritikpunkt der Vorüberlegungen aus Thüringen war allerdings der Passus des angedachten Satzungsentwurfs des BTSV, die Arbeit des RSV gemäß „Grundsätzen und Beschlüssen des BTSV durchzuführen“, was den Sportplan und die Finanzierungsfragen dahingehend betraf, dass diese zukünftig nicht ohne Dachverband entschieden werden konnten. Bei einem eventuell späteren Austritt würde dann sogar noch der Rechtsanspruch auf das zur Verfügung gestellte Eigentum bzw. das Vermögen erlöschen.

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zoomLiteraturhinweis, Fußnoten und PDF-Datei

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(55) DDR 1990/1991(2): Der Weg in den DARC

von Christian Senne

(55) DDR 1990/1991(2): Der Weg in den DARCzoomBefürworter wie auch Gegner der Dachverbandsdebatte gaben sich sicherlich einigen Illusionen hin, was die Zukunft des DDR-Amateurfunks in der einen oder anderen Organisationsform betraf. Die Gegner des Austrittes aus einem gemeinsamen Dachverband der ehemaligen GST-Sportverbände erneuerten auch nach dem Verbandstag in Rundbriefen ihre Kritik. Dabei nahmen sie jedoch explizit Satzung, Geschäftsordnung und Wahlordnung von dieser aus. Als Gründe wurden mangelnde Rücksprache mit der Basis durch die Delegierten des Verbandstages angeführt [dabei wurden diese gewählt, Anm. C.S], die Dominanz der Klasse-1-Besitzer (96% aller Delegierten) nehme nicht Rücksicht auf die Klasse-2-Genehmigungsinhaber, die als Mitbenutzer auf die Klubstationen angewiesen waren, um ihrem Hobby nachzugehen. Schließlich wurde die Eigenfinanzierung mit 120 Mark jährlichen Mitgliedsbeitrag kritisiert, die lediglich eine QSL-Kartenvermittlung finanzieren könne. Alle anderen Dinge, so auch die internationale Vertretung in der IARU, würden nach dem neuen Konzept nicht mehr finanzierbar sein. Deshalb forderten einige Funkamateure eine Urabstimmung über den gefassten Beschluss.[1] Viele Briefe erreichten weiterhin direkt die bisherige Geschäftsstelle des alten RSV in Berlin, in denen Funkamateure sich nicht mit der Entscheidung des neuen RSV einverstanden zeigten.

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zoomDer RSV e.V. rückte dann aber recht schnell nach seiner Gründung näher an den DARC heran. Die Deutsche Einheit zeichnete sich zu dieser Zeit mit der ersten der „Zwei-plus-Vier-Konferenzen“ schon am politischen Horizont ab, als man am 11.5.1990 die offizielle Registrierungsurkunde als e.V. des Bezirksstadtgerichts Berlin-Mitte in den Händen hielt.[12] Es ging nun „frühzeitig“ um eine geordnete Übergabe an den DARC, wie sich Hardy Zenker ausdrückte. Wenn schon nicht der Amateurfunk der DDR als eigenes Land erhalten werden konnte, so sollte ein starker ostdeutscher Verband in den DARC überführt und die Umstellung in die Struktur nach bundesrepublikanischem Vorbild durch die DDR-Funkamateure selbst getätigt werden. Diese Leistung traute der RSV e.V. dem DARC nämlich nicht zu.[13]

Homburger Vereinbarung
Schon zwei Wochen später, am 26. Mai 1990, wurde mit dem DARC eine "Vereinbarung über die korporative Mitgliedschaft des Radiosportverbandes der DDR (RSV) e.V. im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC) e.V." zum 1. Juli 1990 vereinbart (Homburger Vereinbarung). Im Rundspruch klärte der RSV e.V - Vorstand die etwa 4000 Mitglieder des eigenen Vereins darüber auf, dass der DARC nicht mit einem Dachverband gleichzusetzen wäre. Gleichzeitig hoffte man so, einige auftretende Probleme zu lösen. Nach Auflösung des „Hauses des Radioklubs“ in Berlin waren die bisherigen Mitarbeiter nicht bereit, für den neuen Verein tätig zu werden. Problematisch war die Mitgliederhaftversicherung. Hier hoffte die RSV e. V - Leitung mit der Homburger Vereinbarung unter den Schutz des DARC zu kommen und organisierte bis dahin eine Zwischenlösung über einen Hamburger Versicherungskonzern.[14] Zur kooperativen Mitgliedschaft wurde noch einmal betont, dass der RSV e.V. die gleichen Rechte habe, wie die ordentlichen DARC-Mitglieder, und somit in den Augen des Vorstandes das „folgerichtige Hineinwachsen in die große Familie deutscher Funkamateure“ erfolgt.[15] Dem Wunsch nach einer neuen Amateurfunkverordnung wurde jedoch nicht entsprochen, vielmehr teilte Ende Juni 1990 das MPF der DDR dem RSV e.V. mit, dass „auf Grund der rasanten politisch-gesellschaftlichen Entwicklung in unserem Lande, … die Verabschiedung einer neuen Amateurfunk-Anordnung in der DDR nicht mehr vorgesehen“ sei. Alles lief somit auf eine Übernahme des westdeutschen Amateurfunkgesetzes von 1949 mit einer Übergangsregelung für die DDR hinaus.[16] Allerdings schien es zuerst, als ob die DDR-Funkamateure in diesem Zusammenhang eine bittere Pille zu schlucken hätten. Die ca. 2000 Genehmigungsinhaber der Klasse 2a (Mitbenutzer) sollten bei einer Postunion in den Vorstellungen des westdeutschen Ministeriums für Post- und Telekommunikation nur die Klasse C bekommen, was eine Art Zurückstufung beinhaltet hätte, begrenzte diese doch die Aktivitäten nur auf das UKW-Band.[17] In der Schwebe hing immer noch die Eigentumsfrage an der Technik der ehemaligen GST-Klubstationen. Der RSV e.V.-Vorstand hoffte nach einer Inventur, Katalogisierung und weiteren Absprachen mit dem BTSV die Verhandlungen im August 1990 abzuschließen, wie den Mitgliedern in einem Informationsschreiben Anfang August mitgeteilt wurde. Allerdings gab es bezüglich der Homburger-Vereinbarung eine Wendung, mit denen die Vertragspartner nicht gerechnet hatten. §8 der Vereinbarung verlangte die Zustimmung des Amateurrats des DARC, der sich aus den einzelnen Distriktvorsitzenden und dem 1. Vorsitzenden zusammensetzte. Der DARC-Distrikt Berlin verweigerte aber die Zustimmung. Allen DDR-Funkamateuren wurde von den West-Berlinern pauschal eine MfS-Zuarbeit unterstellt, da sie „nun einmal auch GST-Mitglieder waren.“[18] Offiziell wurde dieser Rückschlag in den Rundschreiben des RSV e.V. nicht thematisiert. So blieb schließlich die Variante übrig, dass alle RSV-Mitglieder nach dem Beitritt zur Bundesrepublik DARC-Mitglieder werden sollten, wie der RSV-Vorstand am 12. September an alle Mitglieder schrieb. Wenn die kooperative Eingliederung auch scheiterte, als Erfolg für sich verbuchte der RSV e.V. das Verhandlungsergebnis mit dem westdeutschen Ministerium für Post und Telekommunikation. Dort wurde die bisherige Linie aufgegeben und alle Klasse 2a Funkamateure der DDR in die höchste Stufe B der bundesrepublikanischen Funkamateure eingestuft. Die Rufzeichen sollten erst einmal die gleichen bleiben und wurden sukzessive nach der Vereinigung umgestellt.[19] Blieb nur das Problem der Ablehnung der kooperativen Mitgliedschaft des RSV e.V.: Da die Zeit drängte, wurde noch am 29. September 1990 in der Erfurter Vereinbarung festgehalten, dass die Vorstände beider Vereine nun die RSV-Mitglieder dazu aufrufen, eigenständig in den DARC einzutreten. Hierzu benötigte es nicht der Zustimmung des DARC-Amateurrats. Die Vorgehensweise entsprach aber durchaus den Vorstellungen einer Mehrzahl der DARC-Funktionäre, wie Hans Berg sich erinnert. Der RSV e.V. sendete die Aufnahmeformulare des DARC direkt an seine Mitglieder, der DARC wollte im Gegenzug auf einen Aufnahmebeitrag verzichten. Als eigenständiger Verein wollte sich der RSV e.V. im Dezember 1990 dann selbst auflösen und die Organisationsstrukturen des DARC auf die neuen Länder übertragen.[20] Am 2. Oktober 1990 verabschiedeten sich die Funkamateure von ihrer DDR mit einer „QSO-Party“, bevor auch für sie das bundesrepublikanische Amateurfunkgesetz im Zuge der Postunion der beiden deutschen Staaten Gültigkeit erlangte. Am 9. Dezember 1990 fand der erste und letzte Verbandstag des RSV e.V. unter dem Motto „Wir sind jetzt DARC“ statt und entlastete den Vorstand. Im letzten Rundspruch des RSV. e.V. vom 16.12.1990 verabschiedete sich dann der RSV e.V. und beschloss die Liquidierung des Vereins im Laufe des Jahres 1991.
Im Mai 1991 verschwanden die ersten der alten DDR-Rufzeichen und wurden durch die bundesrepublikanischen Rufzeichen ersetzt. Durch das neue Amateurfunkgesetz 1997 war es allerdings wieder möglich, die ersten in der DDR Funkamateuren zugeteilten DM-Rufzeichen zu bekommen. Ansonsten sind der ehm. DDR-Amateurfunk und seine Besonderheiten heute verschwunden. Die meisten Klubstationen, die unabhängig ihrer ideologischen Funktion stets für die DDR-Funkamateure den Mittelpunkt ihres Wirkens darstellten, schlossen recht schnell nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Ihr Untergang war gekoppelt an den Bankrott der Einrichtungen, in denen sie sich befanden. Nur wenigen gelang es, neue Sponsoren zu finden bzw. aus eigener Kraft die alte Klubstation weiterzuführen oder eine neue aufzubauen.



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(56) Chronik 1989

Zum Jahreswechsel tritt eine Bestimmung in Kraft, derzufolge Inhaber einer Amateurfunkgenehmigung Empfänger und Transceiver auch ohne FTZ-Nummer betreiben dürfen, und dies auch wenn der Empfangs- oder Sendebereich über die zugelassenen Frequenzbänder hinausgeht. Das hat zur Folge, dass nun auch Inhaber einer Genehmigung der Klasse C (UKW) einen KW-Transceiver empfangsmäßig betreiben können. [1]
Vom 9.-11. Januar tagt die CEPT-Unterarbeitsgruppe RR3 in Rom und berät u.a. über die Schaffung einer „Euro-Lizenz“ neben der CEPT-Lizenz. Wesentliche Merkmale: Gleichmäßig angepasste Prüfungs- und Lizenzbestimmungen, Etablierung einer dritten CEPT-Lizenzklasse mit Anfängerniveau („Aspiranten“- oder „Novice“-Klasse) unterhalb der CEPT-Klasse 2.[2] Im November wird das HAREC-Projekt (Harmonized Amateur Radio Examination Certificate) wegen erkennbarer Aussichtslosigkeit offiziell von den Funkverbänden wieder zurückgezogen. Es sollte Jahre dauern, bis das Thema wieder aufgegriffen wird. Am 18. und 19. Februar findet in Düsseldorf ein erstes Treffen zwischen den Amateurfunkverbänden der Europäischen Gemeinschaft statt. Beraten wird über die Kontaktpflege zum Europarat und zur EG-Kommission und über erforderliche Maßnahmen zur Koordinierung unterschiedlicher nationaler Normen, z.B. zur Störeinstahlungsfestigkeit von Geräten der Unterhaltungselektronik – mittlerweile ein zunehmend beklagtes Übel. Auch das „Breitbandverteilnetz“, also das Kabel, erweist sich als Störenfried, insbesondere der Kanal S6: selbst bei normgerechter Einspeisung des TV-Signals reichen die Störspekrtallinien oft ins 2-m-Band. Das UKW-Referat koordiniert daher die Störerfassung.

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Chronik 1990 – Ende und Wende

Chronik 1990 – Ende und WendezoomNachdem rechtzeitig mit dem visafreien Reiseverkehr in die DDR auch die allgemeine Amateurfunkgenehmigung für bundesdeutsche Besucher in der DDR in Kraft getreten ist, mehren sich die Kontakte DL-Y2. Am 10. und 11. Februar kommt es in Berlin zum zweiten Arbeitstreffen RSV-DARC. In den Arbeitsgruppen zeigt sich, dass der Wille zur Zusammenarbeit groß ist, dass aber viele organisatorischen und technischen Unterschiede zu überwinden seien. Unkompliziert sich bloß einige administrative Maßnahmen, so etwa die grenzüberschreitende Anerkennung von Diplomprüfern.[7]

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