Die 'Sondergruppe M' - Geheimaktion des DASD
Die Protagonisten
In den zahlreichen Veröffentlichungen zur Historie des Deutschen Amateursende- und Empfangsdienstes DASD wird die Existenz der „Sondergruppe Marine" meist nicht einmal erwähnt. Das ist nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, dass diese Einrichtung verbandsintern strengster Geheimhaltung unterlag. Für die Forschung bedeutet dies aber, dass nur wenige Dokumente überliefert sind und nur ein lückenhaftes Bild einer der seltsamsten Episoden in der Geschichte des deutschen Amateurfunks gestatten. Jeder ergänzende oder korrigierende Hinweis wird daher dankbar entgegen genommen.
Otto Schmolinske
(1.10.1895, Düsseldorf - 14.2.1985, Berlin) Teilnahme als Angehöriger der "Crew" 15 an der Skagerrak-Schlacht. 1918 als Marine-Ingenieurs-Aspirant entlassen. Geht zum Freikorps von Roden und von Loewenfeld, nimmt am 13.3.1920 am Kapp-Putsch teil. Ab 1923 Ingenieur bei der Lufthansa. 1928 als Angestellter in die Marineleitung übernommen. 1931 Lehrer für Elektro- und Funktechnik bei der Zentralstelle für Flugsicherung an der (militärischen) Flugschule Staaken bei Spandau. 1.10.1933 reaktiviert als Kapitänleutnant M.A.(E) und zugeteilt der Marineausbildung (Abtlg. A IV) im RWM. Gründet im Frühjahr 1934 die FWGM. Ab 1934 im OKM in der Abwehr (Abtlg. IVrn). Ab 1.10.1935 Korvettenkapitän M.A. (E) mit FT-A-Befähigung. April 1934 - Januar 1940 im OKW (Oberkommando der Wehrmacht, Abtlg. Ausland III, Ref. Ag WNV/Fu) in Berlin, wo er im Wehrmachtsführungsstab am Matthäuskirchenplatz die Abteilung Wehrmacht-Nachrichtenverbindungen - Funkwesen aufbaut. Ab 1.11.1937 Korvettenkapitän (Ing.) - Februar 1940 - August 1941 zum Wehrmachtsamt des RKM überstellt. Bis Februar 1942 K.M.V. Wilhelmshaven, zur Information. Bis Juni 1943 K.M.W. Brest, Direktor des Nachrichtenmittelressorts. Ab 1.7.1942 Kapitän z.S. (Ing.) Bis Januar 1944 Chef des Marine-Nachrichtenkommandos Atlantik, dann bis Ausgust 1944 detto in Paris, dann bis März 1945 detto in Gotenhafen. Im April 1945 Stellvertretender Kommandant des Marine-Arsenals Hamburg. Am 20.11.1945 entlassen. Lebte dann in Hamburg. Dort erkrankte er im Februar 1946 lebensbedrohlich an Diphterie. Dank ärztlicher Hilfe überstand er die Krankheit, litt aber bis ans Lebensende an den Folgeerscheinungen. Ende Oktober 1946 kehrte er zurück nach Berlin zur Familie in die Wohnung, die den Krieg überstanden hatte. Ehrenhalber engagierte er sich bis zuletzt im Verband Deutscher Soldaten.
(Mit Dank an Hildegard Bacinski, geb. Schmolinske)
Dr.h.c. Otto Groos
(17.7.1882, Jülich - 29.5.1970, Bremen) 1925 als Fregattenkapitän Kommandant des Kreuzers "Hamburg". 1929 als Kapitän z.S. der Marineleitung z.b.V. gestellt. 1932 Ernennung zum Konteradmiral. 28.9.1931-28.9.1934 Chef des Marinekommando-Amts (A). Am 28.9. 1934 entlassen. 12.10.1934-30.09.1935 Präsident des DASD. 1.10.1935 reaktiviert. Juni 1940 bis Juni 1944 Chef im Sonderstab für Handelskrieg im OKW. 1.9.1941 Ernennung zum Admiral z.V. Im Juni 1944 verabschiedet, aber bis Kriegsende weitherin Chef Sonderstab. 27.2.1946 entlassen. Für die folgenden 23 Jahre fehlen die biografischen Angaben.
01 - Otto Schmolinske im weißen Kittel (links) im Labor der Zeitschrift Funk-Bastler in Berlin, Dezember 1927
02 - Kapitänletnant M.A. (Ing.) Otto Schmolinske (1-Oktober 1895-14. Februar 1985) Die graue Eminenz hinter den Kulissen. Als Militär initiierte er die FWGM, als Funkamateur band er den DASD ein. "Schmo" war DE1116F (in der Gruppe M: DE5000F), D4BEF, D4AEZ (in der Gruppe M D4ACF, Marine-Rufnummer OMH)
03 -(Ausschnitt) Schmolinski, 1940, Frankreich (Paris und Brest) Nicht bekannt ist, warum er als Fregattenkapitän bis Kriegsende die feldgraue und nicht die Marineuniform trug, ist unbekannt
04 - D4ACF, Rufzeichen in der Gruppe M, 23.03. Jahreszahlen wurden nicht angegeben
05 - Sommer 1940, Frankreich. 2.v.r. Achim Teubner, 3. Abteilung/Seekriegsleitung (3./SKL)
06 - DASD-Präsident Dr.phil.h.c. Otto Groos (17. Juli 1882 - 29. Juli 1970) 1926/27 Kommandant des Kreuzers „Hamburg", 28. September 1931 - 28. September 1934 Chef des Marinekommandoamtes, 1940-1945 Chef eines Sonderstabes, Vizeadmiral, 19. August 1941 Beförderung zum Admiral
07 - DASD-Präsident Konteradmiral Heinrich Gebhardt(17. April 1885 - 22. Juli 1939). In der Kaiserlichen Kriegsmarine, 1918-1921 Reichsmarine, 1921-1930 in der Flottenausbildung, dazwischen Navigationsoffizier und Kapitän in der Handelsschifffahrt, 30. September 1934 mit Ernennung zum Konteradmiral in den Ruhestand versetzt, 22. März – 22. April 1939 ohne Mobilisierung reaktiviert
08 - Die 12 Schmo-Soldaten" blieben auch nach dem Krieg in Kontakt: Funkertreffen 1955, 2.v.l. Jochen (Joachim) Börner, D4BKF, D4GIF, D4RAA, DE948 F; 3.v.l. Otto Schmolinske
09 - Treffen am 03. September 1977 in Glienicke/Potsdam. li: Günter Camps/Kiel (1914-20001), re Wolf Franczok/Argentinien,D4GZF, D4LYT, D4TY, DE1135
10 - QSL von DE1135, Wolf Franczog
11 - QSL von D4TY, Wolf Franczog
12 -QSL von DE1184 V, Günter Camps
13 - QSL von D4XDV, Günter Camps
(1-3, 5, 8-11: beigestellt von Hildegard Bacinski, geb. Schmolinske)
Fatale Folge einer Gleichschaltung
Am 15. Mai 1933 erteilte die Reichspost auf Grund einer vorläufigen "Verordnung für Versuchssender" laut "Bekanntmachung über Versuchsfunksender" 180 "Sendegenehmigungen für Funkfreunde" - auf Anweisung des Propagandaministeriums ohne Prüfung der Kandidaten, nur gegen Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses. Damit hatte Goebbels den Amateurfunk (und somit den DASD) de facto seinem Machtbereich einverleibt - wie sich zeigen sollte: mit fatalen Folgen für die Ausbildung von Funkern bei Heer, Luftwaffe und Marine.
Der Sonderfall Marine
Die wachsende deutsche Aufrüstung wird in Frankreich, Großbritannien und Italien mit Sorge beobachtet. Am 14. April 1935 schließen die Regierungen dieser drei Staaten in Stresa ein Abkommen, in dem sie vereinbaren, künftig gemeinsam Verstößen Berlins gegen die Rüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages entgegenzutreten. Das Abkommen von Stresa hat jedoch nicht lange Bestand: Schon am 18. Juni wird ein deutsch-britisches Flottenabkommen geschlossen. London stimmt darin dem Ausbau der deutschen Flotte über die Beschränkungen des Versailler Vertrages hinaus zu, solange ein bestimmtes Kräfteverhältnis zur Royal Navy nicht überschritten wird. Die britische Regierung hofft, Hitlers Rüstungsambitionen durch begrenzte Zugeständnisse Zügel anlegen zu können. - Naturgemäß hatte die Kriegsmarine den größten Bedarf an Funkpersonal, da für sie ja der Funk das einzige Kommunikationsmittel mit den Schiffen auf See darstellte.
FWGM und DASD - eine komplizierte Zweckgemeinschaft
Die Ausbildung der Marinefunker erfolgte in der Marineschule Flensburg-Mürwik. DASD-Mitglieder für die FWGM zu gewinnen, war die eine Sache - was aber sollte mit jenen Freiwilligen geschehen, die sich zur FWGM meldeten, ohne dem DASD anzugehören? Wie sollte ihre Ausbildung zu Funkern erfolgen, wie sollten sie Funkstationen betreiben, wenn dies in Folge des dem DASD zugesprochenen Monopols rechtlich nicht gestattet war?
Bürokratisches Chaos
(Bild: Marineschule Mürwick heute)
Um den Kontakt der zum Dienst einrückenden Mitglieder zu ihrer früheren DASD-Ortsgruppen aufrecht zu erhalten, ergänzte man die diesbezügliche interne Regelung ["Regelung der Ortsgruppenzuständigkeit für die zum Wehrdienst einrückenden Mitglieder des DASD" in: NB-DASD Nr.57 v. 8. November 1935]durch eine Ausnahmebestimmung für Angehörige der Marine. Ihre neuen Anschriften wurden „laufend an die zuständigen Landesgruppen K, J, V, B und A" weitergegeben zur „Aufnahme der kameradschaftlichen Fühlung". [VB-DASD Nr.15 v. 28. August 1936]
Die Reichspost schlägt zu
(Bild: Marineschule Mürwick heute)
Den DASD konnte man mühelos zum Erfüllungsgehilfen militärischer Wünsche degradieren. Die Reichspost ließ sich nicht ohne weiteres gefallen, was sie als ständige Demütigungen empfand: erst die Entmachtung durch Goebbels, nun auch jene seitens der Militärs. Ein günstiger Umstand verlockte die von eifersüchtiger Rivalität erfüllten Postbeamten zum Gegenschlag: In Leipzig und Dresden war es aufgrund der verworrenen Befehlslage zu Vorfällen gekommen, gegen die sich streng nach den Buchstaben des Gesetzes einschreiten ließ; und bei dieser Gelegenheit versuchte man auch den Personalstand der FWGM auszudünnen:
Das jähe Ende der Sendegruppe M
(Bild: Wappen der MarineschuleMürwick)
Viele Anzeichen der politischen Entwicklung wiesen darauf hin, dass der massiven Wiederaufrüstung bald auch militärische Schritte folgen würden. Solche Anzeichen gab es natürlich auch im Bereich des Amateurfunks. Im Februar 1937 erschien im Verordnungsblatt des DASD die lapidare Ankündigung, dass „ein Teil unserer in der Wehrmacht dienenden Mitglieder auf Anweisung ihrer Vorgesetzten aus dienstlichen Gründen aus dem DASD austreten wird." [VB-DASD Nr. 24 v. 5. Februar 1937] Für den DASD bedeutete diese Regelung einen Aderlass, aber es sollte nur der Erste sein, dem vier Monate später ein weiterer mit wesentlich spürbareren Auswirkungen auf den Verband folgte. Das Ende kam rasch und unerwartet: „Durch Verfügung des Oberkommandos der Kriegsmarine wird die Sondergruppe des DASD mit Wirkung vom 30. Juni 1937 aufgelöst." [VB-DASD Nr. 32 v. 22. Mai 1937]
Die Landesgruppenleiter – sie hießen mittlerweile Landesverbandsführer – wurden aufgerufen, sich „beschleunigt mit den Angehörigen der Sondergruppe M in Verbindung (zu setzen), um festzustellen, wer von ihnen auch weiterhin dem DASD angehören will. Diese Männer haben dann den normalen Aufnahmeantrag auszufüllen und sind ... sofort als ordentliche Mitglieder zu führen."
Obwohl es sich um Männer handelte, die bereits in der Kriegsmarine gedient hatten, galt weiterhin die bürokratische Prozedur: „Nach Ausfüllung des Aufnahmeformulares sind sie der zuständigen Gauleitung der NSDAP zwecks Überprüfung ihrer politischen Unbedenklichkeit zu melden." Die LVF erhielten im Juni 1937 eine Aufstellung der ihrem Landesverband zugehörigen Kandidaten. Die Werbeaktion verlief nicht besonders erfolgreich: Unterm Strich hat „die Auflösung der Sondergruppe M dem Verband einen Verlust von rund 400 Mitgliedern gebracht." [VB-DASD Nr. 40 v. 5. November 1937]
Eine undatierte "Aufstellung der Angehörigen der Sondergruppe M" des OKM, wahrscheinlch von Ende 1936/Anfang 1937, listet - leider ohne Angabe der Rufzeichen - die Namen und Anschriften von 414 Personen auf, gereiht nach DASD-Landesgruppen, wie folgt - A:4, B:3, C:11, D:29, E:0, F:50, G:1, H:131(!), I:3, J:37, K:22, L:26, M:7, N:21, O:7, P:7, R:1, T:27, U:19, V:11, Danzig:7. Das waren zehn Prozent der DASD-Mitgliedschaft.
Dokumente zur FWGM/Sondergruppe M im Militärarchiv Freiburg
Zusammengestellt von Udo Deutscher - Ein Großteil der Dokumente liegt in Kopie im Dokumentationsarchiv Funk zur Einsichtnahme auf
Liste der Mitglieder der "Sondergruppe M"
Bild: QSL der Klubfunkstelle DK0MG, Marineschule Mürwick
Forschungsprojekt Rufzeichenliste [PDF , 283.03 KB]